Herr Lehmann
ist das denn?” fragte Karl und zeigte auf Herrn Lehmanns Kranzkuchen. Kranzkuchen, nicht schlecht.”
“Iß ruhig”, sagte Herr Lehmann und schaute weiter Katrin an, die seinen Blick auf seltsame Weise erwiderte. “Ich muß nachher noch arbeiten.”
“Wann denn?”
“Um acht.”
“Ach so. Weiß jemand”, fragte sie in die Runde, “wann die hier zumachen?”
“Ich glaube, schwimmen ist bis halb acht”, sagte Marko, “und um acht müssen alle draußen sein.”
“Naja, dann sollte man aber schnell noch schwimmen”, sagte Karl.
“Und du mußt heute abend arbeiten? Wo ist das denn?” fragte Katrin.
Herr Lehmann erklärte es ihr.
“Naja, vielleicht guck ich da mal rein. Ist das denn gut da?”
“Schwer zu sagen. Kann ich nicht beurteilen”, sagte Herr Lehmann.
“Na gut”, sagte sie und stand auf. “Ich geh dann mal schwimmen. Bis denn dann”, sagte sie zu allen und ging weg.
“Wer ist das denn?” fragte Marko Karl, wo hast du die denn aufgegabelt?”
“Die kocht bei uns. Jungs, ich geh jetzt auch mal schwimmen”, sagte Karl und stand auf. Soll ja gesund sein.”
“So wie du aussiehst”, sagte Marko und musterte Karls massigen Körper, bist du ja wohl eher der Diesel unter den Schwimmern.”
“Es kommt nicht darauf an, wer der Schnellste ist”, sagte Karl mit erhobenem Zeigefinger, es kommt darauf an, wer am meisten Wasser verdrängt.”
Sie sahen ihm nach, als er der schönen Köchin hinterherlief, und Herr Lehmann fragte sich noch einmal, wie Karl bloß so munter sein konnte, obwohl er die letzte Nacht nicht geschlafen hatte. Vielleicht ist es das Schwimmen, dachte Herr Lehmann, wahrscheinlich ist er sportlicher, als ich immer dachte, und er hat eine Dauerkarte.
“Was will er denn mit der?” fragte Marko Herrn Lehmann.
“Wieso? Die arbeitet jetzt in der Markthalle.”
“Was ist denn jetzt mit dem Bier hier?” fragte Klaus.
“Gib mal her”, sagte Herr Lehmann.
“Kann ich jetzt die Tasse haben?” fragte der kleine Junge von vorhin, der plötzlich wieder da war.
“Ja, jetzt nimm sie schon.”
“Da ist aber noch was drin”, sagte der kleine Junge.
“Ich denke, du willst das Bier nicht”, sagte Klaus. “Ich denke, du mußt noch arbeiten.”
“Trink’s doch selber”, sagte Herr Lehmann zu dem kleinen Jungen. Und zu Klaus: “Gib schon her, ist doch egal.”
“Arschloch”, sagte der kleine Junge und ging mit der Tasse davon.
“Ist doch egal”, wiederholte Herr Lehmann, ist nicht mein Tag. “Hab vorhin noch geschlafen, hat mich ganz duselig gemacht. “Naja”, fügte er nachdenklich hinzu, vielleicht hätte ich einfach liegenbleiben sollen.”
“Schlafen am Nachmittag ist komisch”, sagte Michael. Da hat man im mer so komische Träume.”
“Ja”, sagte Herr Lehmann, “komische Träume.”
Kapitel 6
ABENDBROT
Nach all den Aufregungen des Tages war Herr Lehmann am Abend froh, daß er endlich wieder arbeiten konnte. Er war überhaupt immer froh, wenn er arbeiten konnte. Es hatte etwas Beruhigendes, erfrischend Gewohntes, das kühle, schattige Halbdunkel des Einfall zu betreten und den vertrauten Geruch von Zigaretten, Bier und Putzmitteln zu atmen. Den Nachmittag hatten zwei Schwule bestritten, Sylvio, der erst vor zwei Jahren wie auch immer aus dem Osten herübergekommen war, und Stefan, sein Exfreund, und die beiden waren ganz aufgekratzt, als Herr Lehmann von ihnen die Kasse übernahm.
“Ganz bezaubernde Leute heute, Herr Lehmann, ganz reizend.”
“Ich heiße Frank, du Ostbrot”, sagte Herr Lehmann gutgelaunt.
“Stefan, hast du das gehört, Herr Lehmann hat mich Ostbrot genannt.”
“Nun laß mal den Herrn Lehmann, “der hat’s schwer genug. Er darf heute mal wieder mit Erwin arbeiten.”
“Wieso denn schon wieder mit Erwin?”
“Verena kommt heute nicht. Es geht ihr nicht gut, dem armen Ding.”
“Gibt’s denn überhaupt keine Springer mehr?”
“Sieht so aus, als hätte Erwin ein Personalproblem”, sagte Sylvio. “Erst hat er keine Schichten für mich, und jetzt sitzt er in der Scheiße. Er kommt um neun, läßt er dir ausrichten. Und ich bin jetzt ganz schnell weg.”
“Ich auch”, sagte Stefan.
“Viel Spaß mit Erwin.” Sie lachten fröhlich und ließen Herrn Lehmann hinter dem Tresen allein.
Es war nicht viel los. In der Kneipe selbst saß nur ein Mann am Tresen und trank Weizenbier. Herr Lehmann kannte ihn mittlerweile, er saß oft dort, er hieß Volker oder so, und er trank immer nur Weizenbier.
Weitere Kostenlose Bücher