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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Lehmann schloß die Tür von innen ab, sammelte alle Flaschen und Gläser von den Tischen, spülte sie ab und stellte die Stühle hoch. Dann begann er, den Tresen sauberzumachen. Der Weizenbiertrinker, der wahrscheinlich Volker hieß, schaute ihm dabei zu.
    “Das war gut mit dem Ohr”, sagte er plötzlich.
    “Naja”, sagte Herr Lehmann, einerseits geschmeichelt, andererseits peinlich berührt.
    “Aber hast du’s gesehen?” fragte der andere.
    “Was?”
    “Das mit dem Regen.”
    “Was?”
    “Wie der Blasen geschlagen hat. Und dann: Zack! Vorbei!”
    Herr Lehmann wußte nicht wieso, aber er mußte lachen. Er konnte gar nicht mehr aufhören, er lachte und lachte, bis es weh tat. Der Mann, der wahrscheinlich Volker hieß, lachte irgendwann mit und wurde dabei genauso hysterisch wie Herr Lehmann. Irgendwann ebbte das Lachen etwas ab, und Herr Lehmann wischte sich die Tränen aus den Augen. “Ja”, sagte er, und dann: “Zack! Vorbei!” Und lachte wieder los. “Wie heißt du eigentlich?” stieß ” er zwischen zwei Anfällen hervor.
    Rainer”, sagte der Weizenbiertrinker und lachte weiter mit.

    Kapitel 7

    SPÄTER IMBISS

    Als sie ins Abfall kamen, gab es ein großes Hallo. Jürgen und Marko, für die der Abend gerade erst anfing, lauschten hingerissen Karls ausschweifenden Erzählungen von Herrn Lehmanns heldenhafter Verteidigung seines Arbeitgebers, wobei er Erwin, der auf den ganzen Schreck einigermaßen nüchtern geworden war und zu aller Erstaunen eine Runde ausgab, dazu überreden konnte, an ihm selbst zu demonstrieren, wie Herr Lehmann mit dem Ohr seines Gegners verfahren war. Beeindruckt sahen Jürgen und Marko zu, wie Erwin einen um Gnade winselnden Karl im Entengang am Tresen vorbeiführte.
    “Das ist groß, Herr Lehmann, ganz groß. Das muß ich mir merken. Wir sollten es als Kreuzberger Schraube patentieren lassen.”
    Herrn Lehmann war nicht wohl dabei. Zum einen war es nur seinem besten Freund Karl zu danken, daß er einigermaßen unbeschadet aus der Sache herausgekommen war, und zum anderen haßte er es, sich zu prügeln, er schaute auch nicht gerne anderen dabei zu, es sah häßlich aus, es war peinlich, und vor allem gab es dabei nichts zu gewinnen. Daß man ihn dazu gezwungen hatte, denn so sah er die Sache, warf einen dunklen Schatten auf seine Existenz. So einen üblen Mist wie diesen kannte er bisher nur aus den Erzählungen anderer, die in härteren Kneipen als dem Einfall arbeiteten. Im Einfall waren die Schizos immer einfach zu vertreiben gewesen, sie kamen meist nur tagsüber, vor allem gegen Ende des Winters, wenn sowieso alle auf der Wiener Straße mit den Nerven am Ende waren. Daß es dabei körperlich wurde, kam nur selten vor, und wenn, dann war es nicht schlimm, man schubste sie hinaus und das war’s dann. Aber so, wenn sie jetzt schon anfingen, sich zu prügeln … Vielleicht hatte Katrin, die schöne Köchin, am Ende doch recht gehabt, vielleicht war es doch nicht das Wahre, für immer hinter einem Kneipentresen zu stehen. Das würde dann aber bedeuten, daß er sein Leben ändern mußte. Und das wollte er nicht, ihm gefiel sein Leben, er stand gerne hinter dem Tresen, es gab nichts, was er lieber tat. Er versuchte sich kurz einmal vorzustellen, wie es wäre, wieder in seinem gelernten Beruf zu arbeiten, als Speditionskaufmann. Das war so absurd, daß er lachen mußte.
    “Schau an, er lacht wieder”, sagte sein bester Freund Karl zu Erwin und klopfte Herrn Lehmann auf die Schulter. Sie saßen mittlerweile zu dritt an einem Tisch ganz hinten im Dunkeln. “Herr Lehmann ist der rustikalste Mensch auf der ganzen Welt. Egal, was los ist, gib ihm ein Bier, und er ist wieder obenauf.”
    “Oben auf, unten auf”, sagte Erwin launig, ist doch egal. Ich hol ihm noch ein Bier.”
    “Nichts da!” rief Karl bedeutend und stand auf. Er schwankte leicht, hielt sich aber noch ganz gut für einen, der seit 36 Stunden nicht geschlafen hatte. Ich bin dran. Es gibt was zu feiern.” ”
    Er ging zum Tresen. Erwin schob sein Gesicht an Herrn Lehmanns Ohr. Zwar lief im Abfall nicht die Bumm-Bumm-Musik, die Erwin Acid House nannte, sondern irgendein Rockmusikkram, aber auch der war laut.
    “Wer ist eigentlich dieser Kerl mit dem Weizenbier?” schrie Erwin. Schau nicht hin, der am Tresen, der seit ein paar Wochen bei uns rumhängt.”
    “Heißt Rainer”, sagte Herr Lehmann.
    “Woher weißt du das?”
    “Hat er mir vorhin gesagt. Und hör auf, mir ins Ohr zu schreien, das

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