Herr Lehmann
kann uns doch gar nicht mehr sehen. Der ist doch total besoffen”, sagte Herr Lehmann und hatte irgendwie Mitleid mit dem Kerl, weil er immer so alleine herumtrank und sich dann auch noch verdächtig machte. “Außerdem sitzen wir hier im Dunkeln.”
“Das ist es ja gerade”, orakelte Erwin.
“Versteh ich jetzt nicht”, sagte Herr Lehmann gelangweilt. Er hätte lieber mit seinem besten Freund Karl weiter über die schöne Köchin, und was sie genau gefragt hatte, geredet, aber das war wohl schon wieder abgehakt.
“Wenn er Drogen nehmen würde, dann wäre er nicht so schnell besoffen”, sagte Jürgen und holte neues Bier.
“Das verstehe ich nun überhaupt gar nicht mehr”, sagte Herr Lehmann, der sich noch gut daran erinnern konnte, wie er vor Jahren einmal nach zehn Flaschen Beck’s an einem Joint gezogen hatte und welche Schwierigkeiten er danach gehabt hatte, in den Nachtbus einzusteigen.
“Davon mußt du auch nichts verstehen”, sagte sein bester Freund Karl und klopfte ihm auf die Schulter. “Das ist ja das Schöne an dir, daß du von Drogen überhaupt nichts verstehst, und daß du trotzdem alles verstehst, das ist nämlich die Wahrheit.”
“Vielleicht sollte man mal mit ihm reden”, sagte Erwin nachdenklich.
“Unauffällig. Vielleicht kriegt man was raus.”
“Das ist heikel”, sagte Karl.
“Ja, klar”, sagte Erwin.
“Herr Lehmann sollte das machen. Das ist der absolut Unauffälligste”, sagte sein bester Freund Karl. “Jedenfalls bei Männern. Bei den Frauen fällt er dagegen ganz schön auf”, fügte er augenzwinkernd hinzu und haute Herrn Lehmann, dem das mittlerweile gehörig auf den Wecker ging, schon wieder auf die Schulter.
“Aber nicht heute”, sagte Erwin verschwörerisch.
“Doch, doch”, sagte Karl, gerade heute. Gerade heute fällt Herr Lehmann mal wieder ordentlich auf.”
“Herr Lehmann macht das klar”, sagte Erwin zu Jürgen, der mit dem Bier kam.
“Ihr spinnt wohl.”
“Ich will überhaupt kein Bier”, sagte Erwin. “Ich will einen von eurem Scheißbrandy, aber nicht den Aldikram, den ihr hier immer ausschenkt.”
“Hol ich gleich”, sagte Jürgen. “Erst mal muß Herr Lehmann das klarmachen.”
“Gar nichts mach ich klar. Ihr spinnt wohl.”
“Herr Lehmann ist ein Held”, sagte Jürgen.
“Wir brauchen noch Kartoffelchips. Herr Lehmann hat Hunger. Wegen den Elektrolyten”, sagte sein bester Freund Karl und hob die Flasche. “Auf Herrn Lehmann, den Helden des Tages.”
“Ein einsamer Reiter, ein kühner Streiter, Eldorado”, sagte Jürgen, der sich gerne als Cineast sah.
“Wegen der Elekrolyte”, sagte Erwin.
“Was ist mit den Elektrolyten?”
“Es heißt nicht ‘wegen den Elektrolyten’, es heißt: ‘wegen der Elektrolyte’.”
“Prima, Erwin. Und es heißt: Auf Herrn Lehmann, den Held aller Helden.”
“Auf Herrn Lehmann.”
Sie stießen an. Herr Lehmann protestierte nicht, aber er war skeptisch. Wenn das ein Heldentag war, wie sah dann ein Verlierertag aus?
“Jedenfalls muß man da vorsichtig sein”, sagte Erwin.
“Wobei jetzt?”
“Wenn man den aushorcht. Das ist ein Profi. Den kann man eigentlichüberhaupt nicht aushorchen, der stellt sich blöd.”
“Vielleicht ist er ja blöd”, schlug Karl vor.
“Wir können ihn ja Kristall-Rainer nennen”, sagte Jürgen, im Gedenken an Schneider-Jürgen.”
“Was macht der eigentlich?” fragte Karl.
“Der ist tot.”
“Wieso das denn?”
“Keine Ahnung.”
“Vielleicht wegen Aids”, schlug Karl vor.
“Ich glaube nicht, daß der schwul war”, sagte Jürgen, “der war eigentlich überhaupt nichts, glaube ich. Kannst du dir vorstellen, wie Schneider-Jürgen mit irgend jemandem Sex hat?”
“Ich kann mir überhaupt nicht mehr vorstellen, wie irgend jemand mit irgend jemandem Sex hat”, sagte Erwin.
“Da mußt du genau den richtigen Zeitpunkt erwischen”, sagte Jürgen zu Herrn Lehmann.
Herr Lehmann fühlte sich jetzt, an seinem Feierabend, in der geborgenen Atmosphäre des Abfall und nach ein paar Bier, schon wieder besser. Er aß noch ein paar Kartoffelchips und wurde übermütig.
“Also wenn, dann jetzt”, sagte er in die Runde.
“Nein, das ist zu auffällig”, sagte Erwin.
“Worum geht’s?” fragte Karl.
“Ich geh da jetzt mal hin”, sagte Herr Lehmann, der den überraschend gewonnenen Schwung ausnutzen wollte. Ihr seid ja alle paranoid.”
“Also ich finde, du solltest mit ihr ins Kino gehen”, sagte Karl.
“Ins
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