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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Scheiß.”
    “Na, na”, sagte Karl amüsiert, “du hast ja recht, aber mußt du das so sagen? Du solltest nicht die Hand beißen, die dich rettet.”
    “Das ist ein schiefes Bild”, sagte Herr Lehmann, aber dann fiel ihm ein, daß der Hund damals auf dem Lausitzer Platz genau das getan hatte, als er die Polizisten biß. Aber er hatte Karl nie etwas davon erzählt. Er hatte aus irgendeinem Grunde, den er selbst nicht kannte, niemandem davon erzählt, nicht einmal Karl. Und wieso überhaupt?”
    “Jetzt stell dich nicht doof. Ich weiß doch, warum du uns das erzählst. Du willst doch bloß, daß ich an dem Tag in der Markthalle arbeite, dann kommst du mit deinen Eltern dahin, ihr eßt irgendwas Leckeres und ich sage ihnen, was für ein prima Chef du bist. Ist doch logisch. Wann ist das überhaupt?”
    “Ende Oktober.”
    “Ende Oktober! Du bist wirklich ein sehr gründlicher Trauerbauer, Herr Lehmann. Das ist noch einen ganzen Monat hin. Du warst doch mal so ein Carpe-Diem-Typ, was ist denn mit dir los? Und wo bleibt eigentlich KristallRainer mit dem Bier? Was quatscht der da mit Sylvio und der Ledertunte? Machen die ‘nen Dreier klar oder was?”
    Sie blickten zum Tresen. Kristall-Rainer war in eine Diskussion mit Sylvio und seinem Chef vertieft, während Sylvio ihm ein Kristallweizen eingoß. Die drei richtigen Biere standen schon auf dem Tresen.
    “Sylvio baut auch ab, wie lange braucht der denn für ein blödes Kristallweizen”, sagte Karl. “Und wieso will Kristall-Rainer schon wieder eins, der hat doch vorhin erst eins bekommen.”
    Jetzt kam Kristall-Rainer zurück, aber mit Sylvio im Schlepptau. Herr Lehmann hatte kein gutes Gefühl dabei. Kristall-Rainer setzte sich hin, verteilte das Bier und tauchte ein bißchen ab.
    “Hört mal, Leute”, sagte Sylvio und machte eine verlegene Pause. Alle starrten ihn an. “Also, ich will ja nichts sagen”, fuhr er schließlich fort, “aber Detlev, mein Chef…”
    “Der heißt Detlev?” fiel Karl ihm dröhnend ins Wort. “Die Uschi heißt wirklich Detlev? Das ist ja phantastisch!”
    “Hör mal auf”, bat Sylvio verlegen, “halt mal eben die Klappe, Karl. Also das ist so: Er meint, nach diesem Bier solltet ihr jetzt aber wirklich gehen. Ihr könnt es auch mitnehmen, wenn ihr früher gehen wollt. Eigentlich solltet ihr das sogar tun. Er meint, das ist eine Schwulenbar, da braucht er keinen Hetero-Stammtisch.”
    “Tut mir leid, Sylvio”, sagte Herr Lehmann, wir sind gleich weg.”
    “Wir sind weg, wenn wir das wollen”, sagte Karl. Ich meine, wir sind doch nicht irgendwelche Amateure. Ich kenn das Restaurant- und Gaststättengesetz. Da sind keine schwulen Sonderrechte vorgesehen. Ich schmeiß deinen Detlev ja auch nicht aus der Markthalle.”
    “Wir gehen gleich”, sagte Herr Lehmann.
    “Wir gehen, wenn wir wollen.”
    “Also, daß das so ein Problem ist”, sagte Katrin, das hätte ich nicht gedacht.”
    “Mit Denken hat das auch nichts zu tun”, rief Karl in die Kneipe hinein. “Die Ledermausi da hat doch schon seit Jahren nicht mehr irgendwas gedacht, außer an den nächsten Schokostich.”
    “Karl”, sagte Sylvio verzweifelt, hör auf mit dem Scheiß”, aber es war zu spät.
    Der Lederschwule am Tresen stand auf und kam zu ihnen herüber. Er war mindestens so groß wie Karl und noch ein ganzes Stück schwerer. Sein Bauch hing als mächtiger Ballon über seiner engen schwarzen Lederhose.
    “Alles klar Leute, das war’s dann”, sagte er. “Flasche in die Hand und alle Mann raus. Das Weizenglas bleibt hier. Und nehmt eure fette Schnappe mit.”
    Herr Lehmann wurde jetzt sauer. Richtig sauer. Sauer auf die ganze Welt, auf die Stolperfallen, die überall lauerten, auf den ganzen Scheiß, der immer zu bedenken und zu beachten war, auf seine eigenen Vorahnungen, seine eigene Rücksichtnahme, sauer auf Luke Skywalker, sauer auf Kristall-Rainer, sauer auf Karl, der die ganze Scheiße angezettelt hatte, vor allem aber sauer auf Detlev, der Katrin, die Frau, die er liebte, beleidigt hatte. Er spürte eine kalte Wut wie einen Brechreiz in sich aufsteigen, er wußte, daß es nicht gut war, wenn er jetzt etwas sagte, daß es mehr Probleme schaffen als lösen würde, aber er mußte jetzt etwas tun, die Sache mußte raus, er mußte jetzt Detlev in seine Schranken weisen.
    “Verpiß dich, du Arschloch, oder ich scheiß dich bei der Gewerbeaufsicht an”, stieß er hervor, während sein Atem sich beschleunigte und sein Puls raste. Das ist

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