Herr Lehmann
auch noch Mineralwasser für alle. Wißt ihr schon, was ihr essen wollt?” fragte er seine Eltern.
“Nein”, sagte sein Vater irritiert. Das geht jetzt alles etwas schnell.”
“Ich geh dann mal den Wein dekantieren”, sagte Karl und verschwand.
“Netter junger Mann”, sagte seine Mutter. Was würdest du uns dennempfehlen?”
“Der Schweinebraten ist gut.”
“Schweinebraten”, sagte seine Mutter. “Schweinebraten, das kann ich auch selber kochen. Gibt’s denn hier nichts Aufregenderes?”
“Dieses Restaurant ist berühmt für seinen Schweinebraten”, sagte Herr Lehmann streng. “Die Leute kommen aus der ganzen Stadt, um hier den Schweinebraten zu essen. Manche morgens schon. Nirgendwo sonst bekommt man so einen guten Schweinebraten.”
“Naja, aber Schweinebraten …” Seine Mutter lachte. “Da können sie auch zu mir kommen.”
“Der Schweinebraten hier ist la. Sonst nimm doch Fisch”, versuchte Herr Lehmann Land zu gewinnen. Da!” Er langte über den Tisch und zeigte auf das Fischkapitel in der Speisekarte seiner Mutter. “Forelle, Dorsch, Dorade, das ganze Programm. Oder”, fügte er bösartig hinzu, “nimm doch was Vegetarisches, Mutter.”
“Ich glaube, ich nehme den Schweinebraten”, sagte sein Vater.
“Ich auch”, sagte Herr Lehmann.
“Dann nehme ich den auch”, sagte seine Mutter. “Glaube ich. Also vegetarisch, da weiß ich ja überhaupt nicht …”
“Vielleicht einen Grünkernbratling mit Currysoße”, schlug Herr Lehmannvor.
“Nein, nein, wenn du sagst, daß der Schweinebraten …”
“So”, platzte Karl dazwischen. Er beugte sich von hinten über Herrn Lehmann, bis seine offene Anzugjacke um dessen Gesicht schlabberte, und stellte eine Flasche Rotwein auf den Tisch. “Das ist ein ganz, ganz feines Stöffchen.”
“Gläser, Wasser”, sagte Herr Lehmann.
“Alles klar, Boß”, sagte sein bester Freund Karl und verschwand wieder.
“Also dekantieren geht anders”, warf sein Vater ein und studierte die
“Flasche. Und von 85 ist der auch nicht.”
Herr Lehmann hätte seinen Vater gern gefragt, seit wann er etwas von Wein verstand, aber er konnte sich zurückhalten. Karl kam mit Gläsern und Wasser zurück.
“Ist der Schweinebraten gut?” fragte ihn Herrn Lehmanns Mutter.
“Gut ist gar kein Ausdruck”, sagte Karl. “Ein Gedicht ist das, sagen alle.”
“Ist der mit Kruste?”
“Moment”, sagte Karl und verschwand wieder. Herr Lehmann sah ihn in der Küche verschwinden und ihm schwante Böses. Und tatsächlich kam er mit Katrin wieder heraus.
“Wieso weiß der nicht, ob der mit Kruste ist”, quengelte seine Mutter.
“So was weiß man doch.”
Katrin kam an ihren Tisch. “Kann ich helfen?” fragte sie in die Runde.
“Ist der Schweinebraten mit Kruste?” fragte Herrn Lehmanns Mutter.
“Natürlich ist der mit Kruste.”
“Wieso natürlich? Also, ich mach den nie mit Kruste. Das ist mir viel zuviel Arbeit.”
“Die Kruste”, sagte Katrin lächelnd, “wird allgemein überschätzt.”
“Das ist übrigens Katrin Warmers”, sagte Herr Lehmann, “die Köchin hier, und das sind meine Eltern.”
“Ihr Sohn ist ein ganz großer Schweinebratenfachmann”, sagte Katrin mit todernster Miene.
“Setzen Sie sich doch”, sagte seine Mutter und zog einen Stuhl vom Nachbartisch heran. Meine Eltern, dachte Herr Lehmann, würden prima Kreuzberger abgeben. So hatte er das noch nie gesehen.
“Ich habe aber nicht viel Zeit.” Katrin setzte sich neben Herrn Lehmanns Mutter und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
“Also ich mach den nie mit Kruste”, nahm seine Mutter den Faden wiederauf.
“Würde ich auch nicht machen”, sagte Katrin. Herr Lehmann, der sich nicht sicher war, wie sehr und in welche Richtung ihm das alles jetzt peinlich sein sollte, beschloß sich zu entspannen und goß den Rotwein in die Gläser.
“Ich nehm auch ein bißchen”, sagte Katrin.
Karl, der sich in der Nähe herumdrückte und lauschte, sprang mit einem vierten Weinglas herbei.
“Können Sie denn so lange aus der Küche fernbleiben?” fragte seine Mutter.
“Wenn doch der Boß im Spiel ist”, mischte Karl sich ein.
Herr Lehmann trank hastig sein Glas aus und schenkte sich gleich was nach. Ohne Alkohol ging hier gar nichts mehr.
“Na dann.”
“Wenn ich den nicht mit Kruste mache, dann meckert die Hälfte der Leute herum, daß sie den mit Kruste haben wollen”, sagte Katrin und schaute dabei Herrn Lehmann an. “Man kann sich
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