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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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nichts davon mit.”
    “Also ich könnte das nicht. Da würde ich mich total eingesperrt fühlen.”
    Und so ging das immer weiter, bis der Schweinebraten kam, den Karl erstaunlich zivil und ohne Faxen auf den Tisch brachte, was wahrscheinlich damit zu tun hatte, daß Erwin gekommen war, der mit ihm ein paar Worte gewechselt und sich dann am Tresen niedergelassen hatte, so weit von Kristall-Rainer entfernt, wie es nur irgend möglich war.
    “Der ist aber gut, der Schweinebraten”, sagte seine Mutter.
    “Ja, der ist sehr gut. Es gibt ja auch kaum noch Restaurants, die guten Schweinebraten machen”, sagte sein Vater.
    “Sag ich doch”, sagte Herr Lehmann.
    “Wird man hier gut bezahlt?” fragte sein Vater. “So als Geschäftsführer::::” fügte er fein lächelnd hinzu.
    Herr Lehmann betrachtete seinen Vater kurz, bevor er antwortete. Irgendwas war anders mit ihm. Er hatte etwas Müdes an sich, wirkte aber auch wissender. Vielleicht habe ich ihn tatsächlich immer unterschätzt, dachte Herr Lehmann.
    “Geschäftsführer hat nicht viel zu bedeuten”, sagte er. Zugleich war Karl wieder aufgetaucht und stellte eine neue Flasche Rotwein auf den Tisch.
    “Na, na”, sagte er und verschwand wieder.
    “Hat nicht viel zu bedeuten”, wiederholte Herr Lehmann. “Man kümmert sich um die Bestellungen, um die Abrechnungen und so … Ist mehr ein Zubrot.”
    “Was meinst du damit”, horchte seine Mutter auf.
    “Damit meine ich”, sagte Herr Lehmann, der nun ärgerlich wurde, vor allem auf sich selbst, weil er den Geschäftsführerquatsch damals angefangen hatte, “daß ich im Grunde auch nur einer bin, der hinter dem Tresen steht und den Leuten was zu trinken gibt, was immer noch besser ist, als an den Tischen herumzukellnern oder so.”
    “Aber Frank, deswegen mußt du dich doch nicht gleich so aufregen”, sagte seine Mutter. “Was kann ich denn dafür?”
    “Das habe ich doch gar nicht gesagt.”
    “Hauptsache, du kommst über die Runden”, sagte seine Mutter. “Also ich finde das ganz prima hier. Das ist doch viel angenehmer als sonst in Restaurants, da ist immer alles so steif und man fühlt sich überhaupt nicht wohl.- Und die Leute hier, die sind doch alle sehr nett.”
    “Ja, sicher.”
    “Finde ich auch”, sagte sein Vater. “Wenn’s einem Spaß macht …” Er legte die Gabel weg und goß allen noch Wein ein. “Der Wein ist gut. Aber von 85 ist der nicht.”
    “Warum sollte er auch von 85 sein”, sagte Herr Lehmann, der plötzlich gute Laune hatte. Es ist ihnen scheißegal, dachte er, es interessiert sie einen Scheiß, was ich mache. “Ich habe das mit dem Geschäftsführer eigentlich auch immer nur deshalb so hervorgehoben, damit du Frau Dunekamp irgendwas sagen kannst”, sagte er zu seiner Mutter. “Weil du mir damals gesagt hast, Frau Dunekamp hätte dich gefragt, was ich machen würde, und du hättest nicht gewußt, was du sagen solltest.”
    “Wußte ich auch nicht”, sagte seine Mutter.
    “Schmeckt’s?” fragte Erwin, der plötzlich bei ihnen stand.
    “Das ist Erwin Kachele”, sagte Herr Lehmann, und das sind meine Eltern.”
    “Ja, schön, guten Tag”, sagte Erwin.
    “Erwin gehört der Laden hier”, sagte Herr Lehmann.
    “Ganz prima Schweinebraten”, sagte seine Mutter. “Auch die Kruste.”
    “Ich will auch nicht stören”, sagte Erwin, aber kann ich dich gleich mal kurz sprechen, Herr Lehmann, ich meine, wenn du aufgegessen hast?”
    “Ja klar”, sagte Herr Lehmann, den das etwas wunderte, “bin gleich da.”
    “Wieso nennt der dich Herr Lehmann und duzt dich dann?” wollte seine Mutter wissen, nachdem Erwin gegangen war. “Das ergibt doch keinen Sinn.”
    “Ich weiß, Mutter, ich weiß.”
    Sie aßen einige Zeit schweigend vor sich hin. 
    “Es ist gut, dich mal wieder zu sehen”, sagte sein Vater unvermittelt. “Ich weiß auch nicht, was hier so läuft, aber dir scheint’s doch ganz gut zu gehen.”
    “Find ich auch”, sagte seine Mutter. “Das sind nette Leute.”
    “Auf jeden Fall”, sagte sein Vater.
    “Nur das mit der Mauer. Ach so”, rief seine Mutter unvermittelt, “wir wollten da sowieso noch was mit dir besprechen.”
    “Wartet mal eben”, entschuldigte sich Herr Lehmann. Die Sache mit Erwin, der ihn sprechen wollte, beunruhigte ihn irgendwie, und er wollte das hinter sich bringen. Er stand auf, nahm sein Weinglas mit und ging zu seinem Chef hinüber, der jetzt wieder am Tresen saß, einen Pfefferminztee mit Milch trank und

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