Herr Lehmann
gar nicht vorstellen, was die Leute hier manchmal für Ärger machen.”
“Ach Sie Ärmste”, sagte Herrn Lehmanns Mutter und tätschelte ihren Arm, das kann ich mir gut vorstellen. Das ist sicher nicht leicht, für Leute zu kochen, die man gar nicht kennt.”
“Die Schweinebratenleute sind die Schlimmsten”, sagte Katrin.
“Oh, da hätte ich mal lieber nicht gefragt.”
“Nein, nein, bei Ihnen ist das in Ordnung.”
“Kann ich jetzt die Essensbestellung aufnehmen?” Karl war immer noch da.
“Wieso willst du jetzt die Bestellung aufnehmen”, fragte Herr Lehmann aggressiv. “Was willst du denn damit machen? In die Küche bringen? Ist da jetzt jemand?”
“Das muß alles seine Ordnung haben. Das ist doch dein oberster Grundsatz, Boß.”
“Das schärft er uns immer wieder ein”, bestätigte Katrin.
“Also ich nehm den Schweinebraten”, sagte seine Mutter.
“Ich auch”, sagte Herrn Lehmanns Vater.
“Dreimal Schweinebraten”, sagte Herr Lehmann. “Mit überschätzter Kruste.”
“Ich mach auch immer ein bißchen Knoblauch dran”, sagte seine Mutter.
“Das mache ich auch. Das ist viel wichtiger”, sagte Katrin.
Herr Lehmann hob sein Glas und prostete seinem Vater zu. Sie stießen an. Währenddessen vertieften sich die Frau, die er liebte, und die Frau, die seine Mutter war, in ein ausführliches Gespräch über Knoblauch und woran er überall gehörte.
“Ist hier immer so wenig los?” erkundigte sich sein Vater.
“Nein, das richtige Geschäft ist später”, sagte Herr Lehmann. Um neun ist das hier brechend voll.”
“Aber dann essen die nicht alle”, sagte sein Vater.
“Nein”, gab Herr Lehmann zu, der in diesem Moment sah, daß sich Kristall-Rainer am Tresen breitgemacht hatte. “Und selbst wenn sie essen, das Geld macht man immer mit dem Suff.”
“Würde ich auch mal denken”, sagte sein Vater. “Naja”, fügte er hinzu,“gesoffen wird immer. So gesehen hast du es ganz gut erwischt hier.” ”
“So, dann werde ich mal wieder in die Küche gehen”, sagte Katrin und stand auf.
“Das war aber nett, sich mit Ihnen zu unterhalten”, sagte Herrn Lehmanns Mutter.
“Ihr Sohn”, sagte Katrin noch einmal, “ist auf jeden Fall ein ganz großer Fachmann. Für alles.” Und dann ging sie.
“Was meint sie damit?” fragte seine Mutter Herrn Lehmann.
“Ich habe keine Ahnung”, sagte Herr Lehmann. “Manchmal denke ich, ich sollte sie alle entlassen.”
“Aber Restaurant …”, sagte seine Mutter und beugte sich vor, um besser den Raum überblicken zu können. “Das sieht doch mehr wie eine Kneipe aus. Die essen ja gar nicht alle.”
“Man kann sie nicht zwingen zu essen”, sagte Herr Lehmann, den das schnelle Trinken und der Wein überhaupt etwas albern machten. “Und Alkohol hat einen hohen Brennwert.”
“So ihr Lieben.” Sein bester Freund Karl war schon wieder da und stellte ein Körbchen mit Brot und ein Schmalztöpfchen auf den Tisch. “Hier schon mal was zum Knabbern. Und schön Salz draufmachen. Denkt an die Elektrolyte.”
“Das ist wirklich ein netter junger Mann”, sagte Herrn Lehmanns Mutter und blickte ihm hinterher. “Aber auch ein bißchen seltsam. Hat der irgend was?”
“Schwer zu sagen. Wie war denn die Stadtrundfahrt?”
“Schrecklich ist das.” Seine Mutter machte sich über das Brot her. “Wie kannst du hier bloß leben, mit dieser furchtbaren Mauer drumrum, das ist ja ganz schrecklich. Also ich könnte das nicht.”
“Für uns ist das nicht so schlimm. Wir können ja trotzdem raus.”
“Da fühlt man sich doch total eingesperrt. Die ist ja überall, einmal drum rum.”
“Quatsch.” Herr Lehmann hatte auf diesen Scheiß keine Lust. Es war immer dasselbe, wenn die Leute Berlin besuchten. “Wenn in Bremen irgendwo eine Straße zu Ende ist, und da ist eine Mauer, dann fühlst du dich doch auch nicht gleich eingesperrt.”
“Das ist doch ganz was anderes.”
“Ja. Aber das Problem haben die anderen Leute, die im Osten. Die Idee von dem Ding ist ja nicht, daß wir nicht rauskönnen, sondern daß die nicht reinkönnen. Wobei es für die natürlich in dem Sinne dann ein Rauskönnen wäre.”
“Ja”, sagte seine Mutter. “Die wollen ja nun auch alle raus, das sieht man jetzt ja.”
“Das ist schon hart, was da jetzt los ist”, sagte sein Vater. “Da geht ja alles den Bach runter.”
“Sicher”, sagte Herr Lehmann. “Aber das hat doch mit dem Leben in Westberlin nichts zu tun. Wir kriegen hier doch gar
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