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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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ihr das Geld und fahre wieder zurück.”
    “Du mußt vorher noch die Ostmark auf den Kopf hauen, die darf man nicht wieder mit in den Westen nehmen”, sagte Karl. “Das ist nicht so einfach. Wenn du das versaufen willst, mußt du ganz schön in Form sein. Ich würde ja mitkommen, aber ich muß arbeiten.”
    “Katrin will mitkommen. Meint, das wäre interessant. Sie freut sich richtigdrauf.”
    Herr Lehmann hatte die letzte Nacht bei ihr verbracht, und als er ihr von der Ostberlinsache erzählt hatte, war sie ganz begeistert gewesen. Da sieht man endlich mal die andere Hälfte der Stadt, hatte sie gesagt, und Herr Lehmann hatte sich gefreut, daß sie sich freute, und deshalb hatte er es sich verkniffen zu bemerken, daß sie ja noch nicht einmal diese Hälfte der Stadt kannte. Er war froh, ihr etwas bieten zu können, was sie interessierte, aber gleichzeitig drohte die ganze Ostsache durch ihre Begeisterung aus dem Ruder zu laufen. Sie hatte sogar gefragt, ob nicht Herrn Lehmanns Tante, oder was immer die Kusine einer Mutter war, ihnen die Stadt zeigen könnte.
    “Ich war ja mal da”, sagte Karl, nahm eine Feile und feilte an einem Stück Metall herum, was ein nervtötendes Geräusch verursachte. “Das ist so spannend wie Spandau am Sonntag.”
    “Warst du mal in Spandau?”
    “Nein, um Gottes willen! Man weiß ja auch so, wie das da sonntags aus sieht. Genau wie im Osten. Da war ich mit deinem Bruder damals, das war kurz bevor du hergekommen bist. Wie geht’s dem eigentlich?”
    “Weiß nicht. Das letzte, was ich gehört habe, war, daß es nicht mehr so gut läuft mit der Kunst. Er sagt, die Deutschen sind in New York so was von abgemeldet, daß er schon überlegt hat, ob er noch einmal von vorne anfangen sollte, als Holländer.”
    “Dabei war er doch dick im Geschäft.”
    “Sah so aus. Mit Galerie und allem Drum und Dran.”
    “Galerie in New York, das hat ganz schön was zu bedeuten. Muß aber Scheiße sein, wenn’s nicht mehr läuft.”
    “Wahrscheinlich.”
    “Wovon lebt er denn jetzt so?”
    “Als Klempner oder Heizungsbauer oder so.”
    “Klempner?” Karl sah erschrocken aus. “Klempner? Ich glaub’s nicht. Dein Bruder als Klempner?”
    “Ich glaube, eher Heizungsbauer”, sagte Herr Lehmann. “Schweißen kann er ja. Die sehen das da nicht so eng.”
    “Herr Lehmann!” Karl feuerte mit großer Geste die Feile in die Ecke. “Weißt du eigentlich, was du da redest? Dein Bruder! Klempner! Der war für mich immer der Größte.”
    “Ist nicht so schlimm, hat er gesagt”, sagte Herr Lehmann. “Ich glaube, er verdient da sehr gut.”
    “Frank!” Karl nahm ihn bei den Schultern und blickte ihm dramatisch in die Augen. Er übertreibt, dachte Herr Lehmann. Sein bester Freund hatte ganz rote Augen. Außerdem roch er streng, als hätte er sich seit Tagen nicht mehr gewaschen. Er arbeitet zu viel, dachte Herr Lehmann. 
    “Frank!” wiederholte Karl. “Dein Bruder ist einer der größten Künstler, die es gibt. Das ist meine ehrliche Meinung. Und wenn einer der größten Künstler, die es gibt, als Heizungsbauer arbeiten muß, um über die Runden zu kommen, dann ist das eine der übelsten Sachen, die ich je gehört habe.”
    “Naja, er macht schon noch was”, versuchte Herr Lehmann zu helfen. “Er muß ja nicht immer arbeiten. Die sehen das da nicht so eng. Aber er malt jetzt viel.”
    “Malen? Dein Bruder?”
    “Ja, ich glaube schon. In Öl und so. Mehr so zum Spaß, meint er.”
    “Malen? Zum Spaß?” Karl schüttelte den Kopf.
    “Warum regst du dich denn so auf? Ich meine, du hast demnächst eine Ausstellung in Charlottenburg, da kannst du sogar mal richtig was verdienen, wo ist das Problem?”
    “Ich rede über deinen Bruder, Herr Lehmann.”
    “Ja”, sagte Herr Lehmann, dem jetzt auffiel, daß ihm sein Bruder fehlte.
    Es wäre alles besser, wenn er hier wäre, dachte er, ohne zu wissen, warum. 
    “Ich sollte ihn vielleicht mal anrufen. Vielleicht läuft es ja schon wieder besser.”
    “Malen! In Öl! Ich glaub, ich spinne.”
    “Warum nicht?”
    “Dein Bruder ist der größte lebende Objektkünstler. Ohne Scheiß. Weißt du noch, wie ich damals das Ding von ihm runtergehauen habe?”
    “Da war ich nicht dabei. Ich bin erst kurz danach nach Berlin gekommen.”
    “Ja, stimmt.” Karl holte zwei neue Bier und machte sie auf. “Das war auf dieser Ausstellung in der Admiralstraße, in dieser komischen Galerie. Das Ding stand auf einem Betonblock oder so und war nicht

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