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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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reg dich halt auf”, sagte sie trotzig.
    “Kristall-Rainer im Osten getroffen, ha!”
    “Was kann ich dafür, daß du so blöd bist, nicht in den Osten reinzukommen?”
    “Nichts. Habe ich gesagt, daß du dafür was kannst? Habe ich das? Habe ich gesagt: Du bist schuld, daß ich nicht in den Osten reingekommen bin? Und tätschelt Kristall-Rainer jetzt nur deshalb an dir rum, weil ich nicht in den Osten reinkam? Was wäre denn gewesen, wenn ich nicht von den Vopos zurückgeschickt worden wäre? Wäre dann noch alles beim alten? Oder ein flotter Dreier mit Kristall-Rainer in der Hauptstadt der DDR? Wie lange geht das denn schon so mit dem?”
    “Was weißt du denn schon!”
    “Nichts. Das ist es ja, ich weiß nichts. Wahrscheinlich läuft das schon länger, was? Da geht schon einige Zeit was ab, oder wie? Wahrscheinlich muß ich bloß mal Heidi fragen, die weiß doch immer alles über alle, vielleicht sollte ich sie mal fragen, ficken die beiden schon lange, Kristall-Rainer und Katrin? Ich wette, die weiß was, Heidi weiß immer was.”
    “So nicht”, sagte sie und schaute ihm wütend in die Augen. Über ihrer Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten, die bekam sie immer, wenn sie wütend war, und Herr Lehmann liebte diese beiden Falten, aber für diese Art Gefühle war im Moment keine Verwendung. Es ist alles aus, dachte Herr Lehmann, und er wunderte sich ein bißchen, daß ihn das nicht überraschte. Wahrscheinlich war es nie an, dachte er fahrig. Man kann nur ein Licht ausmachen, das auch richtig an ist, ein gedimmtes Licht, dachte er, macht man nicht aus, man dimmt es einfach runter auf Null. Er wußte selbst nicht genau, was er sich damit sagen wollte, aber es hatte etwas Beruhigendes. “So nicht”, wiederholte sie, “so kannst du nicht mit mir reden.”
    “Ich rede, wie es mir paßt.”
    “Es ist aus, Frank.”
    “Sag du mir nicht, daß es aus ist, das ist Blödsinn. Du hast überhaupt nicht zu sagen, daß es aus ist. Das ist mein Text. Und ich sage dir mal was: Es ist aus. Und ich sage dir noch was: Ich bin nicht nur nicht mehr in dich verliebt, ich liebe dich auch nicht mehr. Für mich ist das nämlich ein und dasselbe.”
    “Das glaube ich dir nicht.”
    “Was glaubst du mir nicht? Daß das für mich ein und dasselbe ist?”
    “Nein, das andere.”
    Das ist typisch, dachte Herr Lehmann, daß sie sich das nicht vorstellen kann. Sie kann sagen, daß es aus ist, dachte er, aber sie kann sich nicht vorstellen, daß ich das sage.
    “Das solltest du aber. Und nun husch husch zu Kristall-Rainer, da haben sich ja wirklich zwei gefunden.”
    Er stand auf und legte einen 20-Mark-Schein auf den Tisch.
    “Hier, zahl für mich mit, da bleibt noch was übrig für Fanta-Rainer.” Er mußte lachen. Fanta-Rainer, das war gut.
    Er lachte noch, als er rausging, er konnte überhaupt nicht mehr aufhören zu lachen, Fanta-Rainer, er lachte, bis ihm die Tränen kamen und sich am Kottbusser Tor die Leute nach ihm umdrehten, was außergewöhnlich war, denn hier drehte sich nie irgend jemand nach irgend etwas um.

    Kapitel 18

    ZIVILDIENST

    Vier Tage später träumte Herr Lehmann am Nachmittag gerade einen wüsten Traum, der im Prinzenbad, im Görlitzer Park und, seltsam genug, in Tempelhof, in der Nähe des S-Bahnhofes Papestraße spielte, als er vom Telefon geweckt wurde. Es war Erwin.
    “Frank, du mußt mal schnell herkommen, ins Einfall.”
    “Erwin, es reicht. Es reicht wirklich. Du hast mich aufgeweckt. Ruf doch mal jemand anders an.”
    “Darum geht es nicht, du Vogel. Karl ist hier.”
    “Na und?”
    “Wir wissen nicht, was wir mit ihm machen sollen.”
    “Was ist denn mit ihm?”
    “Der spinnt. Der spinnt wirklich. Außerdem redet er dauernd von dir. Wir wissen überhaupt nicht, was wir machen sollen.”
    “Wer ist wir?”
    “Alle. Verena, ich, Jürgen, Marko, Rudi und Katrin.”
    “Wer ist Rudi?”
    “Ist doch egal, verdammt noch mal. Das ist jetzt wirklich nicht die Zeit für Kleinkram, Frank. Das ist ernst.”
    “Ich komme”, sagte Herr Lehmann, der sich sowieso schon die Hose an gezogen hatte und nur noch ein Paar Socken suchte. Ist er besoffen?”
    “ Keine Ahnung, was der ist. Wahrscheinlich auch. Aber das ist nicht das Problem.”
    “Reg dich ab, ich bin gleich da.”
    “Mach hin, Kerle, das geht hier nicht mehr lange gut.”
    Fünf Minuten später war Herr Lehmann im Einfall. Dort sah es seltsam aus. Gäste waren nicht da, statt dessen war Verena hinter dem Tresen, während

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