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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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sie leise irgend etwas zu Kristall-Rainer und kam alleine zu ihm hin.
    “Ich weiß, was du jetzt denkst”, sagte sie, als sie vor seinem Tisch stand.
    “Ich denke gar nichts”, sagte Herr Lehmann. “Was soll ich denn denken?”
    “Hör zu, Frank”, begann sie.
    “Setz dich mal lieber hin”, sagte Herr Lehmann, das macht mich nervös, wenn du stehst und ich sitze.”
    Sie setzte sich, stellte ihre Cola ab und machte ihren Anorak auf. KristallRainer zahlte schon mal und ging dann raus.
    “Wo will denn der Zivilbulle hin?” fragte Herr Lehmann. “Hat der keinen Hunger mehr?”
    “Ach, hör doch auf”, sagte sie. Ich hab ihm gesagt, daß ich mal eben alleine mit dir reden will.”
    “Na dann mal los”, sagte Herr Lehmann.
    “Wo warst du überhaupt?”
    “Sie haben mich durchsucht und mir das Geld abgenommen”, sagte Herr Lehmann. “Wegen Zoll- und Devisenvergehen. Wieso? Hast du dich vor Angst verzehrt? Hast du Kristall-Rainer um Hilfe gebeten? War der gerade zufällig im Osten und du hast ihn da getroffen?”
    “Wieso willst du das denn jetzt wissen?”
    “Was ist das für eine blöde Frage”, sagte Herr Lehmann. “Wieso sollte ich das nicht wissen wollen? Ich wollte mit dir einen Ausflug in den Osten machen, man hat mich verhaftet, verhört, mir das Geld abgenommen, mich zurückgeschickt, und ich Trottel habe mir noch Sorgen gemacht wegen dir. Dann sehe ich, wie du ein paar Stunden später turtelnd und tätschelnd mit Kristall-Rainer hier hereingeschneit kommst. Das wirft eine Menge Fragen auf, oder? Und da kann ich doch genausogut damit anfangen, wo du KristallRainer heute aufgegabelt hast. Oder er dich.”
    “Na schön, wenn du’s unbedingt wissen willst: Ja, ich habe ihn in Ostberlin getroffen. Der hat’s nämlich wenigstens bis über die Grenze geschafft.”
    “Was hat er da gewollt? Nur wie üblich hinter dir herhecheln, oder hatte er noch irgendwelche Zivilbullengeschäfte da drüben? Ist der jetzt auch noch Geheimagent oder so was?”
    “Hör doch mit dem Quatsch auf. Ich habe ihn zufällig da getroffen.”
    “Zufällig! Kristall-Rainer in Ostberlin getroffen! Zufällig!”
    “Aber darum geht es doch gar nicht.”
    “Worum geht’s denn dann?”
    “Ich finde nicht, daß du irgendwelche Ansprüche auf mich hast.”
    “Habe ich gesagt, daß ich irgendwelche Ansprüche habe? Habe ich irgend welche Ansprüche angemeldet?”
    “Nein, aber du tust so.”
    “Moment mal. Wie tu ich?”
    “Ich habe dir ja gesagt, wie es ist. Ich habe dir gleich zu Anfang gesagt: Ich bin nicht verliebt in dich.”
    “Was soll das denn jetzt heißen? Du hast aber auch gesagt: ‘Ich liebe dich, bestimmt’.”
    “Nein, ich habe gesagt: ‘Ich liebe dich, natürlich, aber ich bin nicht in dich verliebt’.”
    Das geht genauso wie im Osten, dachte Herr Lehmann, das ist genau so eine Scheißdiskussion wie mit dem Grenzbeamten.
    “Und was heißt das jetzt konkret?” fragte er. “Was hat das mit Kristall-Rainer zu tun? Liebst du den auch nur oder bist du auch noch in ihn verliebt?”
    “Ach, Frank …” Sie schaute ihn an, als ob sie Mitleid mit ihm hätte, und das haßte Herr Lehmann mehr als alles andere. Die blöde Schnappe, dachte er.
    “Ach Frank …”, äffte er sie nach. “Was soll das heißen, ach Frank? Ach Frank, der arme Willi oder was? Ach Frank, was soll jetzt werden? Ach Frank, so was verstehst du nicht? Du kommst hier händchenhaltend mit Kristall-Rainer rein, redest Blödsinn erster Ordnung, antwortest nicht auf vernünftige Fragen und bist dann noch so hochnäsig, hier ein ‘ach Frank’ abzulassen wie einen kalten Furz! Spinn ich eigentlich, oder was?”
    “Jetzt reg dich doch nicht so auf.”
    “Wieso soll ich mich nicht aufregen? Mal ehrlich, wieso soll ich mich nicht aufregen? Ich liebe dich, verdammte Kacke, und wenn ich mich nicht mal mehr darüber aufregen kann, daß du hier mit Kristall-Rainer reinkommst und rumturtelst, dann bin ich tot, verstehst du? Wenn man sich über so was nicht aufregen kann, dann gibt es überhaupt nichts mehr, worüber man sich aufregen kann. Dann ist alles nur noch egal. Meinst du, das bedeutet nichts, wenn ich so was sage?”
    “Ich habe dir doch gesagt, daß es für mich anders ist. Und daß du keine Ansprüche an mich stellen sollst.”
    “Okay, ich stelle keine Ansprüche. Tu ich sowieso nicht. Aber ich rege mich auf. Das ist mein gutes Recht. Verdammte Scheiße, es ist mein gutes Recht, mich wenigstens aufregen zu dürfen.”
    “Dann

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