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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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sind ausgebucht. Ich habe eben gerade für jemanden anderes den PC durchforstet: nichts. Gar nichts. Und seither ist nichts Neues reingekommen. Keine Meldung. Ich schaue gern noch einmal für Sie, aber…« Sie wandte sich dem Bildschirm zu. » Und außerhalb Wenningstedts? In Keitum zum Beispiel? Morsum? Hörnum?«, fragte Herr Merse gegen seine Resignation an. » Nein. Wir sind in der Hochsaison. Sechs Bundesländer haben Sommerferien, darunter Nordrhein-Westfalen«, sagte die Frau belehrend. » Gerade den Ruhrpott zieht es nach Sylt. In die gute Luft.« » Wie ist es mit Hotels?«, fragte Herr Merse verzweifelt. Die Frau gab ihm eine Liste. » Dafür sind wir nicht zuständig. Aber vielleicht haben Sie Glück.«
    Herr Merse verließ die Kurverwaltung. Er zwang sich, jetzt nichts zu denken und möglichst nichts zu fühlen, sondern praktisch zu sein. Er nahm sein Handy und telefonierte ein Hotel nach dem anderen ab. Nichts. Es gab nichts. Gar nichts. Er ging ohne Zögern zum Zeltplatz und fragte an der Campingplatzverwaltung. Sicher sei doch dort für ein kleines Ein-Mann-Zelt noch Platz. » Nein«, sagte die Frau. Und wiederholte, als sie sein ungläubiges Gesicht sah: » Voll. Mehr als voll. Leider.« Herr Merse verließ den Campingplatz. 10 . 35 . Vormittag mit Countdown. Barbara-Landung um 13 . 20 . Er wurde angezählt. Wie ein Boxer. Er sah nur eine Lösung: nach Amrum ausweichen, jeden Tag mit dem Inselhopper nach Sylt kommen und per Bus von Hörnum nach Wenningstedt fahren. Das würde gehen.
    Zuversichtlich betrat er wieder den Raum und fragte die Frau nach Wohnmöglichkeiten auf Amrum. Die Frau erklärte sich für nicht zuständig, gab ihm aber die Telefonnummer der dortigen Touristeninformation. Sie wirkte mitleidig. Er rief sofort an. Die Amrumer Dame war beschäftigt. Während er wartete, fasste er den Entschluss, ein kleines Zelt und eine Luftmatratze zu kaufen und notfalls wild zu zelten. In den Dünen. Das Horn und Größeres ließe er bei Barbara, er würde sich unter der Süßwasserdusche waschen und auf einer Toilette die Zähne putzen und rasieren. Oder einen Bart stehen lassen, einen Sommerbart. Ja, er fühlte sich bartreif. Er würde abends mit dem Fahrrad in die Dünen fahren, wie neulich. Immer andere Stellen wählen, um nicht aufzufallen. Der Gedanke gefiel ihm. Versteckt hinter Bart und Strandhafer!
    Als ihn die Amrumerin schließlich abblitzen ließ, rührte es ihn kaum. Es freute ihn fast. Ihm war gerade die Idee gekommen, Frau Luner zu fragen, ob er sein Gepäck in ihrer Wohnung stehen lassen konnte, vor allem das Horn, das er ohnehin heute Joel zeigen wollte. Dann wäre er ganz von Barbara los. Der Gedanke tat ihm gut. Doch ein » Stopp!«. Alles passte. In fliegender Hast packte er seine Sachen, stellte eine kleine Überlebenstasche mit dem Wichtigsten zusammen und fuhr zum Lerchenweg. Er hoffte inständig, Luners anzutreffen. Sein Herz klopfte. Aber sie waren schon weg. Die Wirtin sagte ihm, dass Frau Luner heute mit dem Jungen einen Ausflug in die Vogelkoje machte; das Mädchen sei wohl zum Strand gegangen. Herr Merse unterdrückte ein Stöhnen, radelte zum Kliff, eilte zur 1051 . Der Strandkorb war leer, Natascha nirgendwo in Sicht. Vielleicht hatte die Wirtin sich geirrt.
    Herr Merse starrte aufs Meer. Etwas in ihm erlahmte. Er fühlte sich müde. » Kopf sitzt dumpf auf dem Rumpf, Kopf sitzt dumpf auf dem Stumpf«, hämmerte es in ihm. Er schob das Fahrrad zur Wohnung zurück und stellte seine gepackten Sachen in die Kammer. Wischte lahm die Kochnische sauber. Alles ordentlich hinterlassen. Ja, ja. Er biss in einen übrig gebliebenen Apfel. Ins Kauen hinein meinte er ein Räuspern zu hören. » Ich hab alles versucht, Johannes«, sagte er. » Soll ich wirklich wild zelten? Ich trau mir nichts zu. Ich kann so etwas nicht. Ich habe noch nie ein Zelt aufgebaut. Ich kann nicht mehr. Ich mag nicht mehr.« Er hörte sich wie ein Kind maulen. » Ich komm mit«, kam es aufmunternd aus Johannes’ Ecke. » Wir zelten zusammen.« » Da ist aber kein Flügel«, sagte Herr Merse kleinlaut. Allein die Vorstellung eines Flügels im Zelt war mehr als albern. » Los jetzt, Zelt kaufen.« Johannes blieb unbeirrt.
    Herr Merse fuhr mit dem Bus nach Westerland und kaufte in der kleinen Campingabteilung des Kaufhauses ein Einmannzelt. Er zögerte einen Moment, ob er nicht ein etwas größeres Zelt, in das zwei hineinpassen würden, nehmen sollte, verwarf aber den Gedanken schnell. Es war in jeder

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