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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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langsam hinterher. Am Ende des Bahnhofs lud Herr Merse alles wieder aus und sagte: » Bleibt ihr mal hier und passt auf, ich bring den Karren zurück.« Bevor sie ein Wort sagen konnte, drehte er um und genoss das noch lautere Rattern des leeren Gefährts und Barbaras Ärger. Er lachte schiebend vor sich hin und schmetterte mit vorgestülpten Lippen Siegfrieds Hornmotiv in die Westerländer Luft. Ein Mann lachte: » Wollen Sie den Drachen darin fangen? Oder Mehdorn?« Herr Merse lachte ihn an. Er fand, die erste Begegnung mit Barbara war zu seinen Gunsten ausgegangen.
    Als er zu den beiden zurückkam, hatte sich der Bahnhof schon etwas geleert; dafür war am Taxistand eine Schlange entstanden. » Ingo, wo ist denn die Taxe? Ich hatte dir doch gesagt… Was ist denn überhaupt mit dir los? Du bist unterdrückt aggressiv«, empfing ihn Barbara. Herr Merse wurde ärgerlich. Wenn sie einen Stierkampf wollte, sollte sie ihn haben. Sie wollte ihn erlegen mit ihren Kritiklanzen und Vorwurfsspießen, aber er war ein kräftiger Stier. Matador Barbara sollte sich in Acht nehmen. » Ich weiß nicht, wer hier aggressiv ist«, sagte er und fand sich mit dieser Rückgabe unerwartet lässig. » Ich bin pünktlich hier, ich habe euer Gepäck transportiert. Eine Taxe habe ich leider nicht bestellen können, da ich mich nach einem neuen Quartier umsehen musste, nachdem ich ja quasi entmietet wurde.«
    » Entmietet– na, wir wollen das nicht rechtlich betrachten.« Diese Vorlage griff Oskar mit seiner näselnden Allesbesserwisserstimme auf. Der Experte mischte sich ein, der die Welt im Griff hatte. Außer seinem Körper, dachte Herr Merse. Er erwartete weitere Belehrungen. » Nun lass uns erst mal ankommen.« Schlapp beendete Oskar seinen Einspruch. Der Satz war so weit entfernt von dem spitzen Wortdegen, den er sonst führte, dass Herr Merse stutzte. Er sah seinen Schwager genauer an und bemerkte, dass eine Gesichtshälfte schief wirkte. Augenblicklich tat er ihm leid. Er wusste nicht, wie und ob er ihn nach dem Schlaganfall fragen sollte, und entschied sich für: » Wie geht es dir denn eigentlich?« Barbara schob ihn in der Schlange voran, dass sie ihren Warteplatz nicht verlören. Herr Merse schlug vor, dass sich die beiden seitlich auf eine Bank setzten, er würde das Schlangestehen gern übernehmen. Oskar ging schweigend zur Bank hinüber und setzte sich. Kaum war er außer dem, was Barbara als Hörweite definierte, zischte sie ihrem Bruder ins Ohr: » Was hast du da für einen obstinaten Quatsch auf die Mailbox geredet. Er soll sich nicht aufregen, aber das war ja nun nicht dazu angetan, ihn zu beruhigen.« Herr Merse hob die Gepäckstücke voran. Oskars Veränderung ging ihm nahe. » Ist sein Gesicht gelähmt?«, fragte er Barbara. » Ach, was redest du. Nur noch ein bisschen starr. Er kann sehen und reden und alles. Nun weich mir nicht aus.«
    Aber Herr Merse schwieg. Er war plötzlich müde. Hätte er doch die anschiebende Tablette nehmen sollen? Er schielte innerlich zu Johannes, entdeckte ihn aber nirgends. Der hatte bestimmt vor einer Frau wie Barbara Reißaus genommen. Aber nein, da war er: Johannes dirigierte seinen Frauenchor und fuhr gerade eine ältere Sopranistin, die im Brustton der Überzeugung zu früh einsetzte, unwirsch an: Dicht vorbei ist auch daneben! Herr Merse lächelte vor sich hin. » Was ist los?«, fragte ihn Barbara. » Du bist gar nicht richtig da. Bist du noch auf Tabletten? Jetzt mal ernsthaft, Ingo. Bist du immer noch nicht drüber weg? Ich hab übrigens neulich Dagmar auf dem Klinikgelände in Eppendorf getroffen. Bei meiner Vorsorgeuntersuchung. Wusste gar nicht, dass sie denselben Gynäkologen hat.«
    Dagmar.
    Das saß. Der Name traf ihn wie ein Schlag. Er brachte heraus: » Hör mir auf mit Dagmar.« (Immerhin. Eine Art » Stopp!«.) Gott sei Dank waren sie jetzt dran mit dem Taxi. Er lud das Gepäck ein und öffnete die Wagentür für Oskar. » Setz du dich nach vorn!«, dirigierte Barbara, während sie sich neben Oskar in den Fond setzte. » Moment, ich bin gleich da«, sagte Herr Merse. » Ingo, was ist denn noch?«, rief sie ihm ungehalten hinterher.
    Herr Merse lief kopflos zu dem Schließfach. Dagmar getroffen. Er stand vor dem Fach, steckte aber den Schlüssel nicht ins Loch. Was sollte das alles? Was wollte er hier? Er war verwirrt. Er brauchte Abstand. Er ging zum Auto zurück und setzte sich hinein. » Was war denn das?«, fragte Barbara noch einmal. » Du hast doch deinen Beutel

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