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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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zukommen, seine Augen schmerzten heiß, er blinzelte, versuchte sich zu erinnern. »Bist eh Österreicher, kriegst es brutto.« Die weiße Gestalt streckte die Hand vor und reichte Wolfgang ein kleines Papier.
    »Aus Teutschland«, brachte Wolfgang mühsam vor, nahm seine restliche Kraft zusammen und stand auf. Fastwäre er vornüber gesackt. »Aus Salzburg«, fügte er hinzu, das aber hörte der Wirt nicht mehr.
    »Ah, Deutscher bist.« Er hielt Wolfgang einen weiteren Zettel hin. »Dann füllst’ mir bis nächstes Mal den Wisch für’s Finanzamt aus. Geburtsdatum, Wohnsitz und so weiter. Aber nicht vergessen.« Wolfgang nickte matt und stopfte sämtliche Papiere in seinen Hosenbeutel. Benommen tappte er hinter dem Geiger auf die Straße, sein Kopf fühlte sich an, als hätte jemand Holzklötzchen darin verkeilt.
    »Welches Richtung?« Piotr schlug seinen Mantelkragen hoch. Schneeflocken schwebten sachte nieder, leuchteten auf im taghellen, reglosen Licht einer Laterne. Wolfgang sah nach oben, die Lampe gab ein leises Surren von sich, doch er war nicht sicher, ob es nicht das Dröhnen seines verwirrten Kopfes war.
    Statt einer Antwort leckte Wolfgang über seine rissige Oberlippe und hob zitternd den linken Fuß auf den rechten, um den Schmerz erträglicher zu machen. »Ich weiß nicht mehr«, brachte er hervor, schwankte und starrte auf die immer näher kommenden Schneeflocken, die lautlos im schwarzen Boden verschwanden.
     
    Schonungslos zerhackten Geräusche seinen Traum, metallisches Scheppern durchstieß die kühnen Rhythmen, an die er sich zu klammern versuchte. Ein Geruch nach ungelüfteten Betten, Kaffee und herbem Duftwasser stieg ihm in die Nase. Seine Finger tasteten über samtig gerippte Polster. Er hob den Kopf, der schwerer war als gewöhnlich, stöhnte, schlug die Augen auf. Wieder lag er in einem fremden Raum, diesmal auf einer lehmfarbenen Chaiselongue. An der Wand gegenüber lehnte ein Geigenkasten. Wie ein jäher wärmender Sonnenstrahl fiel die Erinnerung an den vergangenen Abend auf ihn. Schlagartig fuhr Leben in seinen noch schlafmatten Körper, mit einem Ruck richtete ersich auf, schwang die Beine aus dem Bett, stöhnte auf und sank auf das Lager zurück. Um seinen linken Fuß war ein weißer Verband gewickelt, vorsichtig fuhr er mit der Hand darüber und bohrte mit dem Zeigefinger unter den Stoff; das Pochen war verschwunden, als er den Fuß jedoch behutsam aufsetzte, spürte er wieder den stechenden Schmerz.
    Nur mit einem Tuch um die Hüften erschien Piotr in der Tür. Wolfgang schüttelte den Kopf, als könne er das Bild loswerden. Gehörte es zu seinem neuen Leben, am Morgen halbnackten Männern zu begegnen?
    »Bleibst du liegen, besser.« Piotr hielt ihm die Handfläche entgegen, als wolle er ihn damit zurück aufs Lager bannen, angelte sich eine knöchellange blaue Hose von einer Sessellehne und stieg hinein. »Hast du gehabt viel Fieber, letzte Abend.« Dann reichte er Wolfgang einen mit lachenden Gesichtern verzierten Becher voll Kaffee und begann den Verband abzuwickeln, der anscheinend ebenso nachgiebig war wie Wolfgangs Hosenbund.
    »Dich nenne ich einen wahren Freund!« Wolfgang zog die Nase kraus und betrachtete die eitrigen Stoffstücke, die Piotr von seinem Ballen entfernte.
    Piotr hob kurz die Schultern, ohne den Blick von der Wunde zu nehmen. »Entzündung ist besser, hast du gehabt Glück. Musst du Bein hochlegen, heute.«
    Wolfgang zog sein Kopfkissen höher, lehnte sich mit einem wohligen Seufzer dagegen und pustete sachte in den Dampf seines Kaffees. »Danke, das ist mir eine wahrhaft treffliche Rettung in der Not.«
    »Nicht hier, gehst du nach Hause, bitte.«
    Wolfgang versuchte, ihn anzulächeln, aber seine Mundwinkel verweigerten den Gehorsam. »So, ähm, dürfte ich vielleicht in aller Freundschaft dich um die Gefälligkeit bitten, mich noch ein Weilchen als deinen Gast zu erdulden? Ich werde ganz gewiss keine Unannehmlichkeiten bereiten.«
    Piotr sah auf Wolfgangs Fuß, sein Kinn bewegte sich hin und her, als kaue er auf einem Satz herum. »Was hast du angestellt?«
    »Ich bin in eine Glasscherbe getreten.«
    »Nicht mit Fuß. Mit Leben.«
    Wolfgang hielt die Luft an. Wie viel war ihm anzusehen von dem, was ihm widerfahren war? Er sehnte sich danach, seine Bürde loszulassen. Doch sich Piotr anvertrauen? Das erschien ihm zu riskant. Zu groß die Gefahr, dass auch der Geiger ihn beschimpfte und fortjagte.
    »Mein Leben, je nu, das ist etwas …

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