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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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zögerte, es war eher Piotr, der ihm etwas hätte erklären müssen. Also hob er nur die Schultern und kramte weiter in den Papieren. Er förderte das Allegro zutage, das Piotr vor dem Dom gespielt hatte, fuhr mit dem Finger über das glatte reinweiße Papier. Die Noten indes waren nicht annähernd so fein gestochen, wie er es von den Arbeiten, die er unlängst noch in Auftrag gegeben hatte, gewohnt war. Die Ränder der Notenköpfe waren zerfranst, als hätten Mäuse daran gefressen, und das ganze Blatt überzog ein Schleier, als hätte der Drucker mit der Farbe gepatzt. »Spielst du das noch einmal für mich?«
    Piotr zog die Stirn kraus. »Lieber nicht. Bin ich nicht gut mit Mozart. Hab ich aber auf CD, wenn du gerne hörst.« Er machte sich am Bücherbord zu schaffen.
    »Schade, so werde ich es bald einmal selbst spielen müssen, wenn du erlaubst.« Wolfgang vertiefte sich wieder in die Noten. Piotr schien es sich jedoch anders überlegt zu haben, nach einer Weile erklangen die ersten Töne. Wolfgang horchte auf: Mit welcher Perfektion verstand dieser Piotr doch zu spielen, schon der erste Strich kam mit einer Brillanz, die er ihm nicht zugetraut hätte. Das war kein Vergleich zu dem mehr als dürftigen Vortrag auf dem Domplatz, vermutlich war ihm dort einfach zu kalt gewesen. Wärme durchdrang Wolfgang, er wollte Piotr zunicken, sah auf, doch der Geiger stand ohne seine Geige noch immer vor dem Bücherbord.
    »Huch! Wer spielt?« Wolfgang sah sich mit großen Augen im Zimmer um. Vor Schreck wäre ihm fast der Becher aus der Hand geglitten, als auch die zweite Violine einsetzte.
    Piotr warf ihm ein flaches Kästchen zu. »Kleine Kammerorchester aus Moskau«, antwortete er gleichgültig.
    »Ich – sehe – kein Orchester«, flüsterte Wolfgang. Er starrte Piotr an, drehte angstvoll das Kästchen in seinen Händen, es sah aus wie aus Glas, war aber federleicht.
    Piotr lachte, goss sich Kaffee nach.
    Wolfgang schob den Papierstapel von seinen Beinen und kroch von der Chaiselongue. Sein Ohr tastete durch den Raum. Auch wenn ein ganzes Ensemble spielte – mittlerweile hatten noch Bratschen und zwei Violoncelli eingesetzt –, so kamen die Töne doch aus einer einzigen Richtung. Dann hielt er inne. Natürlich! Das hätte ihm gleich einfallen müssen, wieder war es ein Mechanikum, das ihn zu narren suchte. Auf allen vieren näherte er sich dem Ursprung der Klänge, einem schwarzen Kasten, wie ein großer Brotlaib geformt.
    »Dorten kommt sie heraus.« Vorsichtig strich er über ein sanft vibrierendes, feinmaschiges Gitter. »Welche Akkuratesse es doch hervorzubringen vermag. Kann es noch andere Stücke spielen?«
    Piotr lachte auf, doch seine Augen blickten ängstlich auf Wolfgang, der immer noch am Boden kauerte. »Machst du Witze jetzt.«
    »So also – immer nur das Gleiche?«
    »Das ist Musikanlage, Mann! Wo kommst du her? Aus Urwald? Hast du nie gesehen CD-Player?«
    Wolfgang starrte auf den tönenden Kasten und schabte mit den Schneidezähnen an seinem Daumennagel, der schon über die Fingerkuppe hinausgewachsen war. Sein Blick schlich über Piotrs Gesicht. »Gewiss doch«, beteuerte er und zog die Mundwinkel nach oben. »Erst gestern.«
    Piotrs Miene entspannte sich, er puffte Wolfgang mit dem Fuß in die Seite. »Quatschkopf! Hab ich gedacht, du bist von Irrenanstalt!«
    Wolfgang schluckte trocken. Was eine Irrenanstalt sein musste, konnte er sich denken. »Du hast mir aber auch keinen geringen Schrecken eingejagt – gleich dachte ich wohl, du habest gespielt. Schließlich bist du Geiger.«
    »Ja, aber nicht so eine. Kann ich niemals Mozart spielenso gut.« Er gab einen wehmütigen Ton von sich. »Mag mich nicht, Mozart.«
    »Aber gewiss doch, gewiss mag …« Wolfgang hielt inne. Nein. Dieses Stück verlangte in der Tat Fertigkeiten, an die Piotr kaum heranfand. »Dein Freund Schittkowsky indes mag dich gerne, nicht wahr?«
    » Tschaikowski?
Ja, Quatschkopf. Aber muss ich gehen jetzt, hörst du dir auf CD an.« Er griff ein weiteres Kästchen aus dem Regal und klappte es auseinander.
    Wolfgang spähte neugierig über Piotrs Schulter. Eine Silberscheibe lag darinnen, eines jener Dinger, deretwegen sich Jost so echauffiert hatte. Es musste in der Tat etwas Kostbares sein. Piotr drückte Knöpfe an dem schwarzen Kasten, und ein Deckel sprang empor, beinahe so wie bei dem Kästchen, das er Carl einst geschenkt hatte und aus dem auf Knopfdruck ein bunter Geck herausgehüpft war. In dem Mechanikum lag bereits eine

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