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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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an.
    In einem Geschäft nahe dem Dom hatte er schnell gefunden, was er suchte. Behutsam trug er die dicke Papiertüte zur U-Bahn-Station, zögerte, sah auf die Uhr an einer Hauswand und blieb unschlüssig stehen. Der Mut und die Entschlossenheit, die er ehedem verspürt hatte, waren bangem Zaudern gewichen. Er entschied, zuerst noch Kaffee zu trinken, für ein Mittagessen im Kaffeehaus reichtedas, was von Czernys Schein übrig war, längst nicht mehr. Doch die Nervosität ließ ohnehin keinen Platz in seinem Magen.
    Anschließend kehrte er zur U-Bahn zurück, ging auf sein Bahngleis zu und überlegte, ob er vielleicht eine andere Linie nehmen sollte, diejenige zum Karlsplatz, wo er sie getroffen hatte, gestern, um die gleiche Zeit. Endlich verwarf er jeden Aufschub, beschwor ihre Zaubermelodie, begann laut zu pfeifen und sauste im richtigen Zug davon.
    Je näher er dem grauen Haus kam, desto langsamer wurden seine Schritte. Er wechselte auf die andere Straßenseite, verbarg sich hinter einem übermannshohen Fuhrwerk und zählte die Fensterreihen, beobachtete den Hauseingang, fühlte das schwerfällige Klopfen seines Herzens am Kragen. Was stehst du da wie ein Dieb, schalt er sich, nahm seinen Mut zusammen und lief los. Jäh ließ ihn die Fanfare eines Toyotas zusammenzucken. Mit zwei Sätzen brachte er sich am Bordstein in Sicherheit. Diese verflixten Fuhrwerke waren derart schnell; es grenzte an Todesmut, eine Straße zu überqueren. Würde es ihm jemals gelingen, die Geschwindigkeit dieser Geschosse richtig zu taxieren?
    Nun ging auch noch sein Atem schwer. Er blieb eine Weile vor der Türe stehen. So durfte er unmöglich dort einlangen. Er erschrak, als die Türe sich öffnete, doch es kam nur eine alte Dame mit einem Krückstock heraus, die ihn säuerlich musterte und die Türe mit Nachdruck schloss.
    Wenn er sich nun geirrt, sich das Wohlwollen in ihrem Blick nur eingebildet hatte? Vielleicht hatte sie ihn überhaupt nicht erkannt. Oder verwechselt. Zweifellos würde sie ihn anschreien und aus der Wohnung jagen. Mochte er sich ein weiteres Mal solche Blöße geben? Er warf einen letzten Blick auf die schwarzen, in der Mitte vertieften Klingelknöpfe, drehte sich langsam um und trottete auf den Gehsteig zurück. Blieb stehen. Sah am Haus hinauf.Wie zum Trotz wurde die Zaubermelodie lauter und vielstimmiger, bis ein ganzes Orchester mahnend tönte. Er drückte den Rücken durch, ging zur Tür und passte den Finger in die schwarze Vertiefung.
    Fünf Takte später dröhnte der Türöffner, und Wolfgang trat ein, setzte langsam einen Fuß nach dem anderen auf die knarrende Stiege, hielt an und sah durch das Treppenauge empor, wo indes nichts als eine milchweiße Lichtkugel und das sich scheinbar verjüngende Treppengeländer zu sehen waren.
    Eine dickliche Frau mit langen blonden Haaren sah ihm aus dem Türspalt entgegen. Erleichterung und Enttäuschung mischten sich in seinem Inneren zu einem lauwarmen Gefühl.
    »Verzeihung, ich … bin auf der Suche nach der Dame, die hier logiert, ist sie wohl zu Hause? Ich traf sie gestern und habe etwas mitgebracht, für sie, ein Geschenk …«
    »Für Anju? Okay. Ich kann’s ihr geben, wenn sie heute Abend wiederkommt.« Argwöhnisch streckte sie die Hand aus dem Türspalt.
    Entschlossen hielt Wolfgang die dicke Stoffkordel der Papiertüte umklammert. Dieses Weib schien ihm jene Dienstbotin zu sein, von der Jost gesprochen hatte, und mithin zu gewöhnlich, als dass sie einem solchen Gegenstand die nötige Sorgfalt wollte angedeihen lassen. »Vielleicht darf ich es selbst in ihre Kammer verbringen, Mademoiselle, es wäre mir angenehm, ihr ein paar Zeilen dazu schreiben zu können, nun, da ich sie nicht antreffe.«
    »Hm, ich weiß nicht … Wer sind Sie denn überhaupt?«
    »Mein Name ist Wolfgang Mustermann.«
    »Musterm…« Der Rest erstickte in ihrem Prusten. »Mustermann? Echt? Das ist ja der Hammer!« Mit lachtränenfeuchten Augen sah sie auf. »Sorry, aber, ich meine … ich hab Sie hier noch nie gesehen und …« Sie zeigte auf die Tüte. »Was ist denn drin?«
    »Ein Frosch und ein alter Käse, folglich man große Sorge dafür haben soll, damit er den Käse nicht frisst.«
    Sie starrte auf die Tüte, bevor ihr Blick an Wolfgang emporwanderte. Für einen Augenblick stand Wolfgang steif, besann sich dann auf seine untadelige Garderobe und seine gründliche Toilette. Eine winzige Erinnerung lang wurde ihm bewusst, dass er jene Zweifel ob der Angemessenheit seines

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