Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
Vom Netzwerk:
Die Dame rollte sich zum anderen Ende ihres Schreibtischs; der Bürostuhl knackte und ächzte unter ihrem Gewicht.
    »Ihr Name, bitte.«
    Wolfgang warf einen ängstlichen Blick auf das Plakat. Dann auf die Dame. Überlegte, ob er aufstehen und fortgehen sollte.
    »Mustermann«, sagte er leise, »Wolfgang Mustermann.«
    »Mustermann?« Die Dame sah ihn belustigt an. »Ge burtsort ?«
    »Salzburg!«
    »Geburtsort Salzburg … Moment, das haben wir gleich, da … Mustermann!« Sie fuhr mit dem Finger über den Leuchtkasten vor ihr. »Erich, Gustav, Stefan, Simone. Haben Sie vielleicht noch einen anderen Vornamen?«
    Wolfgang wippte nervös auf der Stuhlkante. »Joannes, Chrysostomus, Theophilus. Aber …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Probiern wir’s mit dem Geburtsdatum.«
    »Siebenundzwanzigster Jänner.«
    »Ja. Und?«
    Er rechnete, überlegte, rechnete wieder, hob schließlich die Achseln. »Sechsundfünfzig.«
    »So …« Sie tippte auf ihrer Tastatur herum. »Siebenund zwanzigster Jänner sechsundfünfzig … Sechsundfünfzig?« Ihr prüfender Blick traf ihn. »Da schaun’s aber noch fesch aus.« Wieder wandte sie sich dem Kasten zu, schüttelte gleich darauf erneut den Kopf. »Nein, Herr Mustermann, ich hab Sie nicht in den Unterlagen, also kann ich Ihnen auch keinen Ausweis ausstellen.«
    »Aber ich bin doch hier!« Wie zum Beweis griff er die Kanten seiner Jacke und schüttelte sie. »Sehen Sie mich? Hören Sie mich? Ich brauche nötigst einen Ausweis!« Für einen Augenblick fiel ihm befreiend sein Taufschein ein – nähme es denn Wunder, wenn der sich irgendwo in dieser Stadt befände, in einem Sarg aus Glas? Wolfgang seufzte. Selbst wenn, welchen Nutzen wollte er nun davon haben?
    »Da müssen Sie schon selbst in Salzburg vorsprechen. Nur: Irgendetwas werden Sie denen auch vorlegen müssen. Wenn gar nix anderes mehr bleibt, muss einer von der Verwandtschaft für Sie bürgen. Das kann ja kein Problem sein …« Der Bürostuhl ächzte wieder zu ihm herüber. Sie musterte ihn scharf. »Wenn Ihre Angaben korrekt sind.«
    Außerstande, eine Antwort zu geben, erhob sich Wolfgang und schleppte sich aus dem Raum. Im Hinausgehen hörte er die Dicke etwas von Schlaumeier brummeln und stieg mutlos die Treppen hinunter.
    Wenn alles an diesem Ausweis hing, so würde er die Reise ans Schwarzmeer nicht antreten können. Offenbar besaß ein jeder ein solches Papier und war deswegen, mittels irgendeines perfiden Systems, registriert. Besaß man keines, war man auch nicht da. Für einen Augenblick dachte Wolfgang nochmals befreit an seinen Taufschein, dann hielt er inne, kehrte um und eilte zur Passstelle zurück, trat an das Plakat heran und studierte den darauf abgebildeten Ausweis. Es war eine Ahnung nur, fern jeder Gewissheit,doch irgendetwas sagte ihm, dass er so etwas schon einmal in Händen gehabt hatte.
***
     
    »Da war einer da für dich, so’n Typ, heute Mittag.« Barbaras Stimme und ein durchdringend gesunder Geruch kamen aus der Küche. »Willst du was mitessen? Ich hab Tofuauflauf gemacht.«
    Anju betrat die Küche, griff sich eine Packung Cracker und eine Teetasse aus dem Schrank. »Nein danke. Ich hab keinen Hunger. Was denn für ein Typ?«
    »’n ganz komischer, so’n kleiner. Irgendwie … schrullig. Ich hab gar nicht richtig kapiert, was der wollte.«
    Anju hielt inne. »Schlank, helle Haare, ganz tolle blaue Augen?«
    Barbara nickte kauend.
    »Der ist Musiker.« Anju biss sich auf die Lippen, als sie merkte, dass es wie eine Rechtfertigung klang.
    »Aha.« Barbara sah knapp auf. »Ich dachte, du stehst auf groß und dunkel. Na ja, er hat jedenfalls ein Päckchen bei dir abgestellt.«
    Ohne den Tee aufzugießen, ließ Anju die Tasse stehen und huschte in ihr Zimmer, schloss die Tür hinter sich und stand eine Weile im Dämmerlicht. Alles sah aus wie immer, und dennoch meinte sie, seine Gegenwart spüren zu können wie einen vergessenen Duft.
    »Blödsinn.« Sie drückte mit dem Arm gegen den Lichtschalter.
    Auf dem Schreibtisch stand eine weiße Lackpapiertüte. Darunter fand sie einen Brief, in einer schnörkeligen, merkwürdig antiquierten Schrift, die sich kaum entziffern ließ. Sie griff in die Tüte, hob eine Schachtel mit einer weißen Satinrosette heraus und spürte deutlich den Schlag ihres Herzens, als sie sich auf die Bettkante setzte und die schwere Schleife löste. Eine zierliche Tasse mit Rosen undGoldrand kam zum Vorschein. Grauenhaft, dachte Anju und betrachtete das Schauerstück von

Weitere Kostenlose Bücher