Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
Auftretens einzig seinem neuen Leben verdankte, und er tat einen Schritt vor. »Wenn Sie also erlauben?«
Unbeholfen trat sie zur Seite. »Da linksrum.«
»Danke, ich kenne mich bereits aus.«
»Ich weiß nicht, ob sie abgesperrt hat.«
Wolfgang drückte die Klinke, öffnete die Zimmertür und zertrat energisch den Impuls, einen Augenblick innezuhalten und die Atmosphäre jenes Raumes in sich aufzusaugen, den er niemals vergessen würde. Ihr Zimmer war heller als damals, sonniger, über dem Bett lag jetzt eine dottergelbe Decke.
Er spürte den Blick des Hausmädchens, und ohne Zögern trat er an den gläsernen Schreibtisch und griff nach einem Papier.
Als er das Haus verlassen hatte, empfing ihn eine kleine Wehmut und trottete hartnäckig hinter ihm drein. Der halbe Tag stand vor ihm wie ein leerer Raum, und es gab nichts, was ihn gedrängt hätte. Einen Moment dachte er daran, Liebermann zu besuchen, doch selbst dazu fehlte ihm alle Lust. Nach Hause zu Piotr wollte er auf keinen Fall, die düstere Enge der Wohnung schien ihm unerträglich, die Ermahnungen Piotrs reiner Verdruss. Er entschied, die Beharrlichkeit der Wehmut auf die Probe zu stellen und den Weg zur Stadt zurück zu Fuß zu gehen, irgendetwas würde ihm unterwegs schon helfen, seinen guten Humor wiederzufinden. Schließlich war nichts verloren, wenn er nur halbwegs ihren Geschmack getroffenhatte, und das mochte mit einer solch herrlichen Tasse schlechthin nicht anders sein. So würde sie ihn gewiss zu dem versprochenen Tee einladen – oder ein Kaffeehaus mit ihm besuchen, wenn sein Besuch zu Hause ihr nicht schicklich erschien.
Als er an einer Filiale des Grinsesemmelbäckers vorbeikam, erstand er ein Stück Blechkuchen, kramte in seinem Rucksack nach dem Rabattkärtchen und fand das Papier mit der Agenturadresse. Er dachte an Piotr, dachte an Klischewski, dachte an eine Konzertreise und befand, beim Biss in den Marillenstreusel, dass es klug und richtig sei, die Zeit zu nutzen, sich seiner Pflichten zu besinnen und für die nötigen Verhältnisse zu sorgen, bevor er sich dem Werben hingab. Und mit einem satten und rechtschaffenen Gefühl im Bauch strich er Piotrs Zettel glatt.
Diensteifrig führte der Agent Wolfgang in sein Büro, schob ihm einen Stuhl zurecht und stellte sich als Friedrich Bangemann vor. »Danke, dass Sie zu uns gekommen sind, es eilt mittlerweile ein wenig, die Formalitäten, Sie wissen schon …«
Wolfgang nickte, ohne zu wissen, und griff dankbar nach der angebotenen Kaffeetasse.
»Herr Klischewski und auch Herr Liebermann haben Sie mir als überaus talentierten Virtuosen beschrieben. Vielleicht können wir in Zukunft auch für Sie tätig werden. Wenn Sie uns Ihre Referenzen überlassen wollen?«
Wolfgang nippte an seiner Tasse, lächelte, schwieg.
»Aufnahmen? Vielleicht Demobänder?«
»Wenn Sie es wünschen, so will ich gerne etwas spielen.«
»Sie haben bisher im Ausland gearbeitet?«
»Ich ähm, durchaus, ja, gewiss.«
»Wenn Sie mir vielleicht ein wenig über Ihren Werdegang erzählen wollen? Bei wem haben Sie studiert? Wo sind Sie aufgetreten?«
»Nun, ich, äh, meine Studien, gewiss, mein Vater hat mich unterrichtet, allezeit, von meinem dritten Jahr an, Konzertreisen habe ich unternommen, weithin nach Frankreich und ins Welschland, bis Neapel gar.«
»Ihr Vater. Aha.«
»Mein Vater, gewiss, er war ein hervorragender Musiker, wenngleich er das Alte nicht hat lassen können, doch so ist’s in der Welt mit den Vätern und den Söhnen, nicht wahr, dass man hinausgehen muss, um das Neue zu sehen.«
»Dann sollte ich seinen Namen schon gehört haben?«
Wolfgang biß sich auf die Zungenspitze.
»Nun, vielleicht möchten Sie über unser Angebot nachdenken, Herr Mustermann, wir sollten uns erst einmal um die Reise kümmern. Wenn Sie bitte dieses Formular ausfüllen, und dann bräuchte ich noch Ihren Ausweis.«
»Meinen Ausweis?«
Der Agent sah auf. »Ja, Ihren Personalausweis.«
»Ist solcherlei vonnöten?«
»Hören Sie, Herr Mustermann, ich organisiere keine Konzertreisen mehr, wenn ich nicht von jedem Künstler den Ausweis gesehen habe. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, das geht nicht gegen Sie persönlich, aber wir haben da so unsere Erfahrungen gemacht. Wenn Sie also so freundlich wären?«
Wolfgang erhob sich und griff nach seiner Jacke. »Ich – ähm, woher bekomme ich einen solchen Ausweis?«
Der Blick des Agenten wurde so stechend, dass Wolfgang am liebsten vom Fleck weg
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