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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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schüttelte sich, stöhnte auf. »Aah. Mais non, pas de tomates!« Triumphierend hielt er Piotr eine der Nüsse unter die Nase, die der Wirt ihnen auf das Klavier gestellt hatte. »Da siehst du, welch garstiger Pfropfen in meinen Ohren steckt, was nicht wundernimmt, will doch allenthalben so viel grober Mist hinein. Man müsst sie verschließen, mit Stopfen.« Er schob die Nuss in seine Ohrmuschel und dachte für einen Augenblick an den Mann in der Passstelle.
    »Quatschkopf. Was ist los mit dir?«
    Wieder neigte sich Wolfgang zur Seite, verzog das Gesicht und popelte mit dem Fingernagel nach der Nuss, die sich nun tatsächlich in seinem Gehörgang verkeilt hatte, während von außen Gesprächsfetzen auf ihn eindröhnten und sich mit den Bruchstücken jener uralten Sonata in F und den indischen Klängen mischten, die sich schon seit Tagen in seinem Inneren verwoben. »O Piotr, Babylon ist ein Trappistenkloster gegen den Lärmen in meinem Hirnkastl. Du wirst mir folglich abermalen deinen Vortrag machen müssen.«
    »Mój Boże.« Piotr schüttelte den Kopf. »Mache ich mir wirklich Sorgen um dich, przyjaciel, wenn du redest so viele Blödsinn auf einmal.« Er deutete mit dem Kinn zur Küche des Restaurants, in dem sie an diesem Abend spielten. »Hat er gefragt, ob wir weiterspielen noch, fünfzig Euro, jeder. Hab ich gesagt, keine Problem, natürlich.«
    »Ach …« Wolfgang zerrte an seiner rechten Augenbraue. »Es ist doch gewiss schon spät, nicht wahr?«
    »Kommst du ganze Woche nicht nach Hause früher als Mitternacht. Willst du keine Geld verdienen?«
    »Ach, Piotr, mit fünfzig Euro ist auch nicht groß Hof halten.« Es würde sicher nicht bei einer Stunde bleiben. Vor halb eins käme er nicht ins
Blue Notes
, und ob sie dann noch da wäre … Falls sie überhaupt je käme.
    Piotrs Augen machten ihn frösteln. »Wo willst du hin schon wieder?«
    »Ich habe noch etwas zu erledigen, in ähm … Angelegenheit der Konzertreise …«
    »Bist du Hammel, ist längst vorbei diese Termin, hast du vermasselt mit deine Schlamperei.« Piotr griff die Violine samt Bogen mit einer Hand und hämmerte mit der anderen ein eindringliches Stakkato auf die Klaviertasten. »Hast du Arbeit, jetzt, hier, und machst du.«
    Wolfgang verzog das Gesicht. Er hatte es nicht fertiggebracht, dem Geiger von seinen Schwierigkeiten mit den Papierenzu berichten, dennoch hätte Piotrs Blick nicht misstrauischer sein können, als klar wurde, dass Wolfgang nicht zum Schwarzen Meer reisen würde. Einzig eine kleine Anspielung auf Piotrs Aufenthaltsgenehmigung hatte Wolfgang weitere Nachfragen erspart.
    Und also spielte er, spielte wie ein Mechanikum die immergleichen Stücke herunter, die er seit seinem ersten Abend mit Piotr zu spielen gewohnt war, schmalzige Weisen für die immergleichen Ohren. Jeder Versuch, auszubrechen und neue Ideen aufzunehmen, wurde von den Wirten und schließlich von Piotr selbst abgeschmettert. »Wenn du willst Geld verdienen, musst du spielen wie immer. Oder gehst du woandershin …« Längst war zwischen ihnen ein Schweigen aufgekommen, in dem jeder seine Wünsche für sich behielt und wortlos mit dem anderen einen Weg ging, der beharrlich immer wieder nur bis zur nächsten Ecke führte.
     
    Erst am Abend darauf flüchtete Wolfgang sich wieder frühzeitig ins
Blue Notes
, übergab Czerny leichteren Herzens fünfzig Euro und warf Theresa, der jungen Köchin, ein Flugbussi zu.
    Die Erinnerung an jene exotischen Klänge, die er in Anjus Zimmer gehört hatte, lebte in ihm wie die bizarre Atmosphäre eines halb vergessenen Traumes, in den er stets aufs Neue zu versinken suchte, und schlug sich wie feiner Staub auf allem nieder, was er seither spielte und komponierte, vor allem aber auf jener uralten Sonate, die ihm neuerdings – ohne dass er einen Grund dafür finden konnte – lebendiger war denn je.
    Zu vorgerückter Stunde erschien Theresa, schlug wie immer dreimal das höchste Fis gleich einem Küchengong und raunte etwas von Knödeln und aufbewahrt. Die gute Seele! Er brach sein Spiel ab, griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich herab, umfing ihre Hüfte und nötigte ihr einBusserl auf die Wange. Lachend wuschelte sie ihm den Kopf wie einem Lausbuben. Theresa. Wäre sie nicht gar so groß und ihre Röcke nicht so schamlos kurz gewesen, so hätte er vielleicht etwas an ihr finden können. Er sah ihr nach, sah mit zarter Erregung ihre rauchschwarz bestrumpften endlosen Beine in der Küche verschwinden und fragte

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