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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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sich, ob er sich je an diese mehr als frivole Mode der Weiber würde gewöhnen können. Immerhin war es Aufgabe der Männer, die Frauen auszuziehen, doch, so schien es, machten in diesem Leben die Weibsleute den Männern weit mehr als diese Obliegenheit streitig. Hungrig ließ Wolfgang Flügel Flügel sein, setzte sich zum Essen nieder und dachte an die Vogelfrau, an ihren weit schwingenden, beinahe langen Rock, an ihre schlanken Fesseln, an ihren biegsamen, grazilen Körper, den wieder berühren zu können er beinahe alles gegeben hätte.
    Und da er ganz und gar vergessen hatte, sie nach dem Ausweis zu fragen, bewahrte er den Gedanken, sie also wieder aufsuchen zu müssen, in seinem Herzen wie ein letztes köstliches Praliné im Küchenkabinett.
***
     
    Als Anju dieses Mal auf das
Blue Notes
zuging, war ihr leichter zumute. Es war spät; sie hatte lange für ihren Entschluss gebraucht und beinahe noch länger, ihren Mut in das richtige Gewand zu stecken, dann aber doch ein einfaches Shirt und den Rock angezogen, den sie am liebsten trug. Sie atmete tief. Vielleicht war er ja überhaupt nicht da, schließlich spielten in solchen Lokalen immer wieder andere Musiker. Mit diesem Gedanken stieß sie die Türe auf.
    Sie hörte den Flügel, er schickte zarte, sanfte Bilder durch den Raum. Warmer Regen, wie er die Erde tränkt. Warmer Regen und die Freude darüber. Anju begann zu zittern, verharrte eine Weile, bis sie weiterging, tiefer in denRaum hinein, so nahe wie möglich an den Flügel, ohne dass der Mann, den sie nun dort sitzen wusste, sie hätte sehen können.
    Dieses Mal war es leerer, nur wenige Gäste standen am Tresen und in den hinteren Ecken, und so blieb Platz für die Musik, die sich ungestört Raum nahm, anstatt in einer Menge zu verschwinden.
    Anju wich einer jungen Frau mit weißer Schürze aus, die ein volles Tablett balancierte, sah sich nach einem Platz um und setzte sich an einen kleinen Tisch nahe der Wand. Warum war sie früher nie hierhergekommen? Das Lokal lag in der Nähe ihrer Wohnung, und mit einem Mal konnte Anju sich vorstellen, hier ganze Abende zu verbringen. Zu Hause ist dort, wo man Erinnerungen findet, dachte sie und schloss ihre Hand fest um die CD-Hülle, die störrisch ihre Jackentasche beulte. Sie könnte sie einfach darin behalten, wieder gehen und der Welt ihren Lauf lassen. Überdeutlich, beinahe zum Greifen klar umfing sie das Bewusstsein, an einer Weggabelung zu stehen, genau jetzt, genau hier frei in ihrer Entscheidung zu sein.
    Unsinn! Dieser Mann dort war Musiker, ihre Musik hatte ihm gefallen, und sie brachte ihm eine Kopie. Nichts weiter. Sie würde bis zum Ende des Stücks abwarten, um ihn nicht zu stören, und ihm dann das kleine Geschenk überreichen. Nichts weiter. Er würde sich bedanken, vielleicht eine seiner komischen Verbeugungen machen oder – sie musste schmunzeln – ihr gar die Hand küssen. Nichts weiter. Warum um alles in der Welt also saß sie hier und machte sich verrückt wegen einer Sammlung indischer Ragas?
    Ihr Herz klopfte bis in den Bauch hinein.
    Eine hochgewachsene Frau in Mini und Stiefeletten ging auf den Flügel zu. Anju hielt inne. Es war jene Art von Frauen, deretwegen Anju sich im
Blue Notes
nie wohlgefühlt hatte, jene Art von Frauen, deren Glanz sie selbst unsichtbar werden ließ. Sie klimperte in Mustermanns Spiel,beugte sich zu ihm hinunter, und er küsste sie, während er seine Hand auf ihrem Gesäß parkte.
    Es war, als habe jemand inmitten einer kostbaren Musik den Ton abgedreht. Nichts blieb als das hallende Scharren von Stuhlbeinen, das dissonante Geplapper fremder Stimmen und das jähe Klirren eines Glases, das auf dem Boden zerbrach. Anju wandte den Kopf vom Flügel weg und ging mit kaum fühlbaren Schritten auf den Ausgang zu. Die Plastikhülle in ihrer Manteltasche störte den Rhythmus ihrer Bewegungen.
    Da war nichts weiter, oder? Eine Weggabelung, mit einem Durchfahrt-Verboten-Schild. Dann blieb sie an der Bar stehen. Ihre Augen brannten, als sie den gelben Zettel mit ihrer Nachricht aus der Hülle riss und dem Barkeeper die CD hinschob. »Bitte, geben Sie das dem Pianisten.« Ohne sich nach Mustermann umzusehen, ging sie hinaus. Sie war sicher, dass er sie nicht einmal bemerkt hatte.
***
     
    Wolfgang trug seinen Teller zum Tresen. »Izt denke ich, will sich kein großer Verdienst mehr machen lassen und ich mich also, wenn du erlaubest, zu meiner wohlverdienten Ruhe begeben.«
    Czerny nickte, doch sein Blick zog sich

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