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Herr Palomar

Herr Palomar

Titel: Herr Palomar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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Schraube verstellt, um die Eiskappe am unteren Pol hervortreten zu lassen. Flecken erscheinen und verschwinden auf der Oberfläche wie Wolken oder Risse zwischen den Wolken; einer stabilisiert sich in Form und Lage Australiens, und Herr Palomar überzeugt sich, daß er jenes Australien um so klarer sieht, je schärfer er das Objektiv einstellt, aber zugleich bemerkt er, daß ihm dann andere Schatten von Dingen entgleiten, die er zu sehen meinte oder sehen zu müssen glaubte.
     Kurzum, ihm scheint, wenn Mars der Planet ist, über den seit Schiaparelli so vieles gesagt worden ist, was abwechselnd Täuschungen und Enttäuschungen nach sich zog, so paßt das gut zu der Schwierigkeit, eine Beziehung zu ihm herzustellen, als wäre er eine Person mit schwierigem Charakter (es sei denn, die Charakterschwierigkeit läge ganz auf Seiten Herrn Palomars: Vergebens sucht er der Subjektivität zu entfliehen, indem er sich zu den Himmelskörpern flüchtet).
     Genau das Gegenteil ist die Beziehung, die er zu Saturn gewinnt, dem aufregendsten Planeten für den, der ihn durch ein Teleskop betrachtet: Herrlich klar und weiß steht er da, scharf die Konturen der Kugel und des Ringes; ein leichtes Streifenmuster gliedert die Kugel, ein dunklerer Zwischenraum trennt ihren Rand vom Ring. Dieses Teleskop erfaßt kaum andere Details und betont die geometrische Abstraktion des Objekts; der Eindruck einer extremen Ferne wird, statt abzunehmen, eher noch stärker. Daß am Himmel ein Körper rotiert, der so grundverschieden von allen anderen ist, eine Gestalt, die größtmögliche Eigentümlichkeit durch größtmögliche Schlichtheit und Gleichmäßigkeit und Harmonie erreicht, ist ein Umstand, der das Leben und Denken erfreut.
     Wenn die Alten ihn hätten sehen können, wie ich ihn jetzt sehe – denkt Herr Palomar –, hätten sie geglaubt, einen Blick in Platons Ideenhimmel zu werfen, oder in den immateriellen Raum der Postulate Euklids; statt dessen gelangt dieses Bild durch wer weiß welche Fehlleitung ausgerechnet zu mir, der ich fürchte, daß es zu schön ist, um wahr zu sein, zu willkommen in meinem imaginären Universum, um zur realen Welt zu gehören. Aber vielleicht ist es gerade dieses Mißtrauen gegenüber unseren Sinnen, das uns hindert, uns im Universum wohl zu fühlen. Vielleicht ist die erste Regel, die ich mir setzen muß, diese: Halt dich an das, was du siehst.
     Jetzt scheint Herrn Palomar, daß der Ring leicht schwankt, oder auch der Planet im Ring, während beide sich um die eigene Achse drehen. In Wirklichkeit ist es Herrn Palomars Kopf, der da schwankt, weil er den Hals so verdrehen muß, um durch das Teleskop zu spähen. Doch er hütet sich, diese Täuschung sich einzugestehen, die so schön zu seiner Erwartung paßt wie auch zur natürlichen Wahrheit.
     Saturn ist wirklich so. Nach der Expedition des »Voyager 2« hat Herr Palomar alles verfolgt, was über die Ringe geschrieben wurde: daß sie aus mikroskopisch kleinen Partikeln bestehen sowie aus mehr oder minder kleinen Eisbrocken, zwischen denen Abgründe klaffen; daß die Teilungen zwischen den Ringen Furchen sind, in denen die Monde um den Planeten kreisen, wobei sie die Materie zusammenfegen und an den Seiten verdichten wie Hirtenhunde, die um die Herde laufen, um sie zusammenzuhalten; er hat die Entdeckung von ineinandergeschobenen Ringen verfolgt, die sich als einfache, nur sehr viel dünnere Kreise entpuppten, und die Entdeckung von trüben speichenförmig angeordneten Streifen, die als Eiswolken identifiziert werden konnten. All diese neuen Erkenntnisse ändern indessen nichts an der Grundfigur, die noch immer so ist, wie sie als erster Gran Domenico Cassini im Jahre 1676 sah, als er die Teilung der Ringe entdeckte, die seither seinen Namen trägt.
     Ein sorgfältiger Mensch wie Herr Palomar hat sich natürlich aus gegebenen Anlaß in Nachschlagewerken und Handbüchern informiert. Jetzt indessen erscheint ihm Saturn, dieser immer neue Gegenstand, herrlich wie am ersten Tag, indem er das Wunder der Erstentdeckung erneuert und Bedauern darüber weckt, daß Galileo mit seinem schwachen Fernrohr nur zu einer ungefähren Vorstellung von ihm gelangte, zum Bild eines dreifachen Körpers oder einer Kugel mit zwei Griffen, und als er kurz davor war, seine wahre Beschaffenheit zu erkennen, schwand ihm die Sehkraft und alles versank im Dunkel.
     Wenn man einen leuchtenden Körper zu lange fixiert, ermüdet die Sehkraft. Herr Palomar schließt die Augen und geht

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