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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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nur ein paar Minuten, dann öffnet ein Mann die Tür. Ich erkenne ihn wieder, weiß aber nicht woher. Vielleicht Lachsangler oder Schachspieler, oder ganz einfach ein Promi. Genau. Er sieht aus wie Kojak, der Fernsehdetektiv ohne Haare mit diesem Himbeerlutscher im Mund.

    »Ich kenne dich«, sage ich.

    »Ah, dann liest du also die Zeitungen, was?«, antwortet Kojak mit demselben Nordland-Dialekt wie Papa.

    »Schon …«

    Papa erzählt, dass der Mann vorige Woche der Samstagsgast bei der Lokalzeitung war, erzählt aber nicht, warum er vorige Woche der Samstagsgast war.

    Wir gehen in ein größeres Zimmer. Ganz hinten in dem Raum gibt es eine Art Wohnzimmer – ein großes braunes Ecksofa, einen langen braunen Couchtisch und einen grünen Schreibtisch mit einer grünen Lampe drauf. Wir setzen uns alle drei aufs Sofa. Ich in die Ecke, Papa in die Mitte, Kojak ganz rechts außen. Es fühlt sich ein bisschen schräg an, wie wir hier alle auf demselben Sofa sitzen. Ich weiß nicht, was daran schräg ist, aber es fühlt sich so an. Kojak ist wirklich groß. Nicht so kräftig wie Papa, aber ebenso groß, etwas länger noch, ganz klar viel fetter und kein einziges Haar auf dem Kopf. Ein fetter Gene Hackman ohne Haare, oder ein etwas längerer Kojak. Er legt die Füße auf den Couchtisch und streckt die Arme aus, die er dann als eine Art Nackenstütze hinter dem Kopf parkt. Ich mag ihn.

    Kojak fragt Papa nach dem neuen Double-Wobbler-Köder. Sie sprechen darüber, wie er im Wasser liegt und wie er gerade bei Dunkelheit gut ist. Dann kommen sie auf die Gerüchte um den Gyrodactylus -Parasiten zu sprechen. Ich merke, dass Kojak mich ansieht, während er über den Gyrodactylus -Parasiten spricht. Er glotzt nicht, sondern er schaut. Er sagt:

    »Und … wie geht’s?«

    »Wie es geht?«

    »Wie geht es?«

    »Es geht … gut.«

    »Magst du die Stadt an der Küste?«

    »Tja … schon.«

    »Ich nicht.«

    »Nicht?«

    »Ich werde wegziehen.«

    »Wohin?«

    »Nach Amerika.«

    »Amerika?«

    »Springfield, Minnesota.«

    »Liegt das nicht in Kanada?«, frage ich.

    »Also, als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, lag es in den USA .«

    »Deswegen ist er von der Lokalzeitung interviewt worden«, erklärt Papa.

    »Ich werde da drüben arbeiten. Also … sollen wir mal ins Zimmer gehen?«

    »Zimmer?«

    Papa und Kojak stehen gleichzeitig auf.

    Ein paar Minuten später liege ich nur mit Unterhosen bekleidet auf einer Liege im Untersuchungszimmer. Kojak beugt sich über mich, schaut den Körper an, den ganzen Körper. Er trägt jetzt eine große Brille, die Gläser so dick wie Lupen. Papa steht hinter ihm, auch er schaut. Sie sagen nichts. Kojak murmelt vor sich hin. Es dauert nur ein paar Minuten, fünf vielleicht oder fünfzehn. Dann fängt er an, den Körper zu befühlen, beugt die Knie, die Arme, die Zehen. Er bittet mich, aufzustehen, mich zu strecken, mich wieder hinzusetzen, um mich dann noch einmal zu strecken. Alles ein bisschen wie beim Schularzt, aber Kojak ist anders, er macht andere Bewegungen, sieht anders hin, so als würde er Schach spielen und wäre nur einen Zug vom Sieg entfernt. Während er beugt und streckt und fühlt, stellt er auch Fragen. Er murmelt sie heraus, eine nach der anderen, zehn in der Minute. Magst du Käse, magst du Milch, magst du Lachs, treibst du gern Sport, liebst du Hunde, hasst du Katzen, frierst du im Oktober, schwitzt du im Mai?

    Ich ziehe mich an, und wir kehren ins Büro zurück. Wir setzen uns auf das Ecksofa. Jetzt hat Kojak Papier und Stift herausgeholt. Er hat die Vergrößerungsbrille wie eine Skibrille auf die Stirn hochgeschoben. Papa bittet, mal rausgehen zu dürfen, und als ich frage wohin, sagt er, zur Toilette. Jetzt fängt Kojak an, eine andere Art von Fragen zu stellen, solche Fragen, die mich ein wenig zuckig im Bauch machen und trocken im Mund. Aber es packt mich nicht die Unruhe, weil Kojak immer noch die Füße auf dem Couchtisch und die Skibrille auf der Stirn hat. So wird das Gefährliche weniger gefährlich. Er fragt, ich antworte.

    »Was siehst du, wenn du zum Himmel hochschaust?«

    »Strohhalmwolken.«

    »Und was siehst du hinter den Strohhalmwolken?«

    »Grießbreiwolken.«

    »Was denkst du, wenn du die Arme ausstreckst?«

    »Boeing 747.«

    »Und was ist mit Salami?«

    »Verschwitzter Scheiß.«

    »Was ist mit der Möwe?«

    »Nichts.«

    Er stellt Fragen, die ich einfach nur abschütteln will, aber ich mag ihn, und ich will, dass er zufrieden

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