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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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nichts, zeige keine großartige Dankbarkeit. Ich habe damit gerechnet. Das gehört zur Sportstundenroutine. Im Sport bin ich ein Siegertyp, das wissen alle. Ich mache Tore und wage es, mich gegen den Fußbodenbelag, die Regeln und den wie eine Bingotante palavernden Schiedsrichter aufzulehnen. Da gibt es nichts zu kritteln oder zu machen, alle wissen, dass man mit mir in der Mannschaft in neun von zehn Fällen gewinnt. Im Klassenzimmer bin ich der Clown, aber im Sportunterricht bin ich der Sportclown, der immer gewinnt. Frank wählt Jesper, Lena wählt Hilde, Frank nimmt Jomar, um keine Schläge einzustecken, Lena erwägt, Oskar zu wählen, damit ihr Bruder keine Schläge kriegt. Oskar ist träge mit seinem Körper, der besser für die Kartoffelernte geeignet ist als für den Sport. Aber das ist ihm egal, und er nimmt immer diese passiv-coole Haltung ein, wenn er gezwungen ist, Sport zu treiben. Doch ehe Lena noch auf Oskar zeigen kann, sage ich:

    »Nimm Johanna.«

    »Johanna?«

    Johanna hat den gleichen Körper wie Oskar, wenn auch schmalere Hüften, sie ist nett, die Netteste in der Klasse. Der große 4H-Star des Dorfes, trotz ihres jungen Alters ausgewählt, im Odd-Fellow-Chor zu singen.

    »Johanna«, wiederholt Lena verwirrt.

    Es zuckt ein wenig im Bauch, inspirierend, gut, fein, klasse.

    Ich habe ungewöhnlich viel Glück mit dem improvisierten Wurf vom Mittelkreis aus. Dann geht es so weiter wie immer, das meiste läuft so, wie ich es will, und wer sich mir in den Weg stellt, den verscheuche ich durch Rufen und Kommentieren und Singen oder welcher Impuls sich nun gerade bemerkbar macht. Ich wechsele nicht ein einziges Mal aus, spiele die ganze Zeit, nonstop, fast ohne zu schwitzen. Ich mache fünfzehn Punkte, wir führen mit 43 : 20, wir werden gewinnen, die Spannung lässt nach, Langeweile macht sich breit. Mein siebzehnter Punkt, yes Sir . Das Spiel ist entschieden, aber ich bin nicht zufrieden, nicht wirklich, irgendetwas fehlt noch. Vielleicht eine kleine Pause, eine Auszeit. Ich ruhe mich auf der Bank aus, bin lange ausgewechselt, mindestens dreißig Sekunden. Oskar kommt aufs Spielfeld. Und wieder hat er da dieses Mohrrübenlächeln aufgesetzt, um mich zu reizen. Jomar flüstert Oskar etwas ins Ohr, sie schauen zu mir und lachen, und ich meine zu hören, was sie flüstern. Zucken im Bauch, Geräusch, verdammt noch mal . Ich renne aufs Spielfeld. Oskar sieht mich, er versucht, sich hinten zu halten und Körperkontakt zu vermeiden. Aber ich weiß die ganze Zeit, wo ich ihn haben will, split vision, wie Gene Hackman in The Pretender . Oskar ist schon über zwei Minuten auf dem Spielfeld, er wird jeden Moment ausgewechselt werden. Er nimmt den Ball, hält ihn eine Sekunde, dann lässt er ihn los, so dass er auf die Ecke des Spielfelds zurollt – Zucken im Bauch, verdammt noch mal . Oskar rennt dem Ball hinterher, ich renne hinter Oskar her, und einen Moment, ehe er den Ball fangen wird, werfe ich meinen eigenen Körper in Oskars Körper hinein, mein Ellenbogen trifft seinen Bauch, während gleichzeitig mein linker Fuß seine Füße und Beine und seinen Rücken und seine Hüfte in Klammer nimmt, ein cross-check, für den Gretzky mich um ein Autogramm gebeten hätte – und ich fange den Ball und versenke ihn im Korb, yes Sir .

    Stille. Dann ein Monsterschrei, wie von einem aufgespießten Wildschwein. Wieder Stille. Oskars Körper, ein wenig verdreht vor der Sprossenwand. Sein Knöchel und der Fuß stecken in der Sprossenwand fest. Alle bleiben wie angewurzelt auf ihren Positionen stehen. Der Sportlehrer beugt sich herunter, versucht Oskars einen Fuß anzuheben, aber da schreit das Wildschwein wieder los. Heulen tut er auch. Der Sportlehrer bittet Lena, die Schulschwester zu holen, und die anderen sollen in die Umkleidekabine gehen, was aber niemand tut. Dann sieht er mich an, als hätte ich noch drei Minuten bis zur Hinrichtung.

    »Wie zum Teufel führst du dich auf?«, fragt er, und es ist das erste Mal, dass ich ihn fluchen höre, und er klingt immer noch wie eine Bingotante. Ein paar Minuten später kommt die Schulschwester mit ihrer kleinen schwarzen Tasche. Sie schaut sich den Fuß an, dann Oskars Knöchel, fühlt seine Stirn, sein Bein, und dann fragt sie:

    »Kannst du mir sagen, wie du heißt?«

    Aber da schreit er nur noch lauter.

    Ein dritter Lehrer kommt und fragt, was eigentlich los ist. Aber das Einzige, was sie alle zur Antwort bekommen, ist Oskars Schreien, die Stimme des

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