Herrchenjahre
einfach nicht mehr so gut.«
»Ihr Hund hat gepinkelt. Das ist bei einer so sensiblen ADHS-Patientin natürlich eine absolute Provokation.«
»Das tut mir jetzt leid für ihren Mantel, aber meine kann sich beim Fuß gehen nicht mehr so gut konzentrieren. ADHS, sagt der Arzt.«
Das fühlt sich gut an. Und irgendwie stimmt es ja auch.
Vor allem beim Fuß gehen fällt es mir auf. Luna trabt tapfer eine Weile am Knie, dann schiebt sie die Nase etwas nach vorn, fünf Zentimeter nur, gefolgt von einem hyperaktiven Schubs aus der Hinterngegend, und schwupp – schon läuft sie zehn Meter voraus. Das ist doch typisch ADHS, oder? Sie hat vor lauter Konzentrationsschwäche glatt das Kommando vergessen!
Räuspere ich mich, dreht sie nämlich sofort um und hopst freudig zurück an meine Seite. Mensch, denkt sie dann und schlägt sich vor die Stirn, das war ja Fuß !
Für den Fall, dass Luna andere haut, bin ich ebenfalls vorbereitet. Ich habe eine stirnrunzelnde Medizinermiene in meinem Repertoire und kann mit sonorer Stimme und bedenklichem Kopfwiegen einen der folgenden Sätze von mir geben:
»Ich versuche mal, meinen Hund von Ihrem runterzurufen. Allerdings hat er ADHS und das Ritalin ist alle.«
»Mein Hund hat hyperaktive Aufmerksamkeitsdefizite. Sagen Sie Ihrem, er soll nicht so gucken. Das macht meinen unverschuldet aggressiv.«
»Legen Sie das nächste Mal bitte die Jacke im Auto ab. Seit sie Medikamente nimmt, reagiert sie etwas gereizt auf DHL-Gelb.«
Selbstverständlich funktioniert das auch beim leidigen Thema Jagen.
Monatelanges Distanztraining an der Schleppleine, Bindungsvertiefung durch Handfütterung, Karnickeldesensibilisierung am eigenen Hasenstall, Platzübungen vor aufspringendem Damwild, strategische Routenführung zur Vermeidung jeglichen selbstbelohnenden Jagderfolgs, das ist alles überflüssiger Unfug. Die Legendentechnik – wir Kenner sagen natürlich L.T. dazu – wirkt viel besser.
Wenn man von den Behörden beim Wildern erwischt wird, arbeitet man zunächst mit Phase 1: Schuld sind immer die anderen. Welcher Depp hat denn den Fuchs dorthin gesetzt? Was machen die dämlichen Karnickel am helllichten Tag im Feld? Wieso beseitigt keiner den verlockenden Geruch im Wald? Wofür zahle ich eigentlich Steuern?
Danach geht man nahtlos zu Phase 2 über und serviert die Legende.
»Die jagt nicht, Herr Förster, die ist nur hyperaktiv.«
»Das meint sie nicht böse. Sie hat ein unheilbares Syndrom.«
»Der Hund kann nichts dafür. Er hat ADHS und meine jüngste Tochter trägt Wildschweinpantoffeln.«
Das ist überhaupt die Lösung: Meine Jüngste ist schuld!
Und der Coop Visp im schweizerischen Wallis mit seinem
Pantoffel-Sonderangebot: haarige Hausschuhe, die wie lebendige Wildschweinschädel aussehen, für vierzehn Franken neunzig, inklusive Hauer aus weißem Filz und Knopfaugen.
Da nützt doch das effizienteste Antijagdtraining nichts, wenn der Hund zu Hause von freilaufenden Wildschweinpantoffeln bis aufs Blut gereizt wird!
Die Wildschweinpantoffeln katapultieren mich in den aktuellen Charts meiner Lieblingsausreden auf Platz vier. Für einen Neueinsteiger ist das nicht schlecht. Vor uns auf Platz drei liegt Frau Unbekannt, deren abgeleinte Schäferhündin auf die angeleinte Luna zuwalzt und sie zur Schnecke macht. Frau Unbekannt reagiert mit dem Standardsatz: »Das macht sie normalerweise nicht«, und schiebt dann hinterher: »Na ja, so ein, zwei Kandidaten gibt es, mit denen kommt sie einfach nicht aus.«
Schon komisch, dass ausgerechnet Luna zu diesen Kandidaten gehört.
Wir sehen uns gerade zum allerersten Mal!
Platz zwei gehört jenem Hundehalter der außerirdischen Art, der im Grafenberger Wald seine Gegner anherrscht: »Leinen Sie gefälligst Ihren Hund an.« Irritiert nimmt man seinen Hund zu sich und fragt: »Warum denn? Ihrer ist doch auch nicht angeleint!« Worauf Mister Alien tönt: »Ja, aber meiner verträgt sich nicht mit anderen.«
Hut ab!
Es als selbstverständlich zu betrachten, dass die gesamte Hundewelt prophylaktisch angeleint wird, damit der eigene Schläger frei laufen kann, das ist schon virtuos.
Ungeschlagener Meister in der Legendendisziplin aber ist ein Krause, der auf einer Hundewiese in der Nähe von Wuppertal sein Unwesen treibt. Wenn man diesen freilaufenden Hundetrainer fragt, warum sein Hund denn einen Maulkorb trage, antwortet er, ohne rot zu werden: »Mein Hund ist so außergewöhnlich gut sozialisiert, dass alle anderen Hunde nicht mit ihm
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