Herrchenjahre
lauf doch nicht weg. Spatz. Spahatz! Wo will er denn bloß
wieder hin. Also eigentlich kommt er ja immer, aber wenn er was in der Nase hat…«
Dieses klare Mir nach ist natürlich schneller hingeschrieben als in die Praxis umgesetzt. Krauses Geister scheiden sich ja schon bei der Bezeichnung dessen, der es sagt.
Der Erste behauptet: »Du übernimmst die Spitze in eurem Rudel, du bist der Alpha.«
Der Nächste sagt: »Es gibt kein Rudel, ihr seid ein Team.«
Der Dritte schnarrt: »Wir haben hier klare Richtlinien. Das heißt Hundeführer.«
Ein Vierter meint: »Ich persönlich nenne es ja lieber Regisseur. Oder noch besser Manager der Hundegemeinschaft.«
Absoluter Spitzenreiter in den O-Ton-Charts aber ist das Statement unseres aktuellen Scheff-Krauses: »Menschen können keine Alphas sein. Höchstens Rudelchefs.«
Konfrontiert mit so viel Weisheit, nicken acht Scheff-Schüler tiefsinnig und denken insgeheim: »Hä? Wo ist da der Unterschied?«
Mit Nachhaken kommen wir aber auch nicht nennenswert weiter. Auf unsere Frage, worin genau sich die Bezeichnungen Alpha und Rudelchef unterscheiden, werden wir auf eine benachbarte Wiese gebeten und nach allen Regeln der Kunst zusammengestaucht.
Die Standpauke lässt die ursprünglich gestellte Frage elegant links liegen und thematisiert stattdessen unsere offensichtlich zunehmende Inkonsequenz im Umgang mit den Hunden: »So geht das nicht! In dieser Gruppe reißt der Schlendrian ein!!!«
Sei’s drum. Letztlich ist es eh egal, unter welcher Bezeichnung man sich der Lächerlichkeit preisgibt.
Meine Güte, was veranstaltet dieser Kurs für einen Zirkus, um den Hunden beizubringen, wo der Bartel den Most holt. Zugegeben, einige ganz vernünftige Aktionen sind darunter, aber auch derart heftige Peinlichkeiten, dass ich lang anhaltend rot anlaufe.
Zum Beispiel mache ich mich zum Deppen und praktiziere die Technik eines von unserer Hundeschule empfohlenen Fachbuch-Krauses, der anordnet, man müsse immer als Erster aus dem Hundenapf essen. Das Einzige, was ich dabei lerne: Luna ist mal wieder nicht die Regel.
Wer aus ihrem Napf frisst, ist ihr herzlich egal. Hauptsache, es ist genug drin, dass es für alle reicht.
Noch zielführender, als ekliges Zeug aus schmierigen Näpfen zu futtern, ist angeblich der Ansatz, immer als Erster durch Türen, Pforten und Tore zu schreiten. Das stammt aus alten Rudelzeiten. Der Scheff sieht nach, ob draußen Gefahr droht. Wenn nicht, winkt er seine Untergebenen hinterher.
Im Lehrbuch geht das prächtig. Im täglichen Leben gestaltet sich die Durchführung schon schwieriger. Ich stelle nämlich fest, dass meine Hündin gar nicht als Erste durch die Tür will. Zumindest dann nicht, wenn ich alle Hände frei habe und das verhindern könnte. Sie will nur als Erste durch die Tür, wenn ich auf beiden Armen überquellende Mülltüten balanciere – ganz obendrauf zerbrechliches Altglas – und mit dem Knie versuche, die Türklinke zu betätigen. Dann rammt Luna scheffmäßig an mir vorbei, sieht nach, ob draußen die Luft rein ist und winkt ihren Untergebenen hinterher.
So weit die deutsche Variante. Die französische sieht noch wilder aus. Im provenzalischen Sainte-Croix-du-Verdon, wo wir im Scheff-Schlamassel-Jahr unsere Sommerferien verbringen,
gibt es oberhalb des Sees eine Terrasse, auf der sich Katzen räkeln. Für jagdtriebige Krawallmäuse ein wahres Eldorado. Der Weg ins Dorf führt mittendurch. Ein Umgehen der Katzenplattform ist nicht möglich, zumindest nicht, wenn man zum Bäcker will.
Mir ist sehr wichtig, dass ich als Erster die Terrasse betrete, damit ich mich wappnen kann und nicht von den Füßen gerissen werde. Luna ist es genauso wichtig, als Erste die Terrasse zu betreten, damit die Spaßbremse von Herrchen die Katzen nicht verjagen kann. So stürmen wir nebeneinander die Treppen hoch, drängeln uns ab, bremsen uns aus, befehlen uns gegenseitig Fuß, reißen jeder an seinem Ende der Leine und kugeln dann oben auf die Terrasse wie ein Sondereinsatzkommando.
Das gibt den anderen Urlaubern Anlass zu vielerlei Fragen, die ich lieber nicht beantworten will und Gott sei Dank auch nicht muss, weil mein Französisch zu wünschen übrig lässt. Schlechte Sprachkenntnisse können auch von Vorteil sein.
Wichtigste Erkenntnis aus unserem Scheff-Kurs: Brüllen hilft auch nichts. Dein Hund hört sowieso zwölfmal besser als du. Wenn er nicht spurt, spurt er aus Überzeugung nicht, und nicht, weil er dich schlecht verstanden
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