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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die
Piraten her. Einer der Burschen stürzte kreischend zu Boden
und schlug beide Hände vor das Gesicht, und noch bevor seine
Kameraden überhaupt begriffen, wie ihnen geschah, sprang
Astaroth bereits einen zweiten an, biß ihm kräftig in die Unterlippe und benutzte anschließend sein Gesicht als Sprungschanze, um über einen dritten herzufallen.
Aber der Mann war vorbereitet. Als der Kater ihn ansprang,
riß er schützend den Unterarm vor das Gesicht. Als Quittung
verpaßte Astaroth ihm vier lange, blutige Kratzer vom Ellbogen
bis zur Handwurzel, doch der Pirat nutzte die Chance, seinen
Säbel zu ziehen. Mike
stieß einen entsetzten Schrei aus, als
die schartige Klinge aufblitzte, und reagierte ganz instinktiv.
Er sprang den Piraten an und umklammerte den Säbel mit
beiden Händen.
Sein Angriff verblüffte den Piraten so sehr, daß dieser
zurücktaumelte und seine Waffe losließ. Der Säbel fiel klappernd zu Boden, und Mike blieb sogar noch eine kurze Gnadenfrist, in der er triumphierend aufschrie.
Dann explodierte ein Schmerz in seinen Händen, der so grausam war, daß er nicht einmal mehr schreien konnte. Mike wurde
schwarz vor den Augen. Er wankte, fiel auf die Knie herab und
preßte die Handflächen gegen die Brust. Warmes Blut tränkte
sein Hemd. Und der Schmerz wurde immer schlimmer. Mike
krümmte sich wimmernd, kämpfte mit aller Macht gegen die Bewußtlosigkeit, die nach seinen Gedanken griff, und sah wie
durch einen roten Nebel, daß der Pirat den Kater zu
Boden
warf und ihm einen Tritt verpaßte, der ihn wie einen lebenden
Ball quer über den Gang und an die gegenüberliegende Wand
schleuderte. Astaroth kreischte schrill und blieb liegen.
Wieder kamen die Piraten auf ihn zu. Mike hatte weder die
Kraft noch den Willen, sich zu wehren. Ihm war übel, und er hätte
alles gegeben, hätte das grausame Brennen und Stechen in seinen
Händen nur nachgelassen.
Und dann geschah etwas, womit keiner von ihnen gerechnet
hatte – Mike am allerwenigsten.
Unter der Tür seiner Kabine erschien eine blondhaarige, in ein
weißes Gewand gekleidete Gestalt. Serenas Gesicht war so
bleich, wie er es in Erinnerung hatte, und ihr Blick war
benommen wie der eines Menschen, der jäh aus dem tiefsten
Schlaf gerissen worden ist und noch nicht genau weiß, wo er
sich überhaupt befindet. Einige Sekunden lang sah sie sich mit
offenkundiger Verwirrung um, dann blieb ihr Blick an Mike
hängen. Sie blinzelte und musterte dann der Reihe nach die Piraten, die bei ihrem Erscheinen ebenfalls erstarrt waren und
das Mädchen anblickten.
»Was um alles in der Welt bedeutet dieser Lärm?« fragte Serena
in ungeduldigem Tonfall. »Wer seid ihr überhaupt? Und was
habt ihr auf meinem Schiff zu suchen?« Mike riß ungläubig die
Augen auf, aber wenn er gedacht hatte, daß es nichts mehr gab,
was ihn jetzt noch überraschen konnte, dann wurde er in der
nächsten Sekunde eines Besseren belehrt.
Die Piraten reagierten jetzt auf Serenas Erscheinen –
aber
auf eine vollkommen andere Art und Weise, als Mike sich
selbst im Traum hätte vorstellen können. Die Männer griffen sie
nicht etwa an. Im Gegenteil.
Mike wurde übel, und er spürte, wie er endgültig in Ohnmacht
fiel. Aber bevor ihm die Sinne gänzlich schwanden, sah er
noch, wie die Piraten einer nach dem anderen vor Serena auf
die Knie sanken und demütig das Haupt senkten …
    Die letzte Empfindung vor seiner Bewußtlosigkeit und die erste
nach seinem Erwachen waren gleich: eine grenzenlose Verblüffung und ein heftiger, brennender Schmerz in beiden Händen,
der ihm die Tränen in die Augen trieb. Mike öffnete sie stöhnend
und wollte die Arme heben – das hieß, er versuchte es nur. Seine
Hände waren festgebunden. Sein Körper ebenfalls, aber das
nahm er gar nicht wahr, denn das, was er erblickte, als er blinzelnd den Kopf wandte, war zu überraschend.

Er befand sich nicht an Bord der NAUTILUS, daran bestand
gar kein Zweifel. Und Trautman und er waren nicht allein.
Mike lag auf einer schmalen, sehr harten Pritsche, die in einem
großen, hellen Raum stand, der nichts, aber auch gar nichts mit
der NAUTILUS gemein hatte. Der Boden bestand aus festgestampftem Lehm oder Erdreich, und Wände und Decke schienen aus einer Art Bast gefertigt zu sein, die zahllose Ritzen und
Spalten aufwies. Das Licht fiel nicht durch ein Fenster oder eine
Tür herein, sondern sickerte durch die Bastwände, und es war
ein sehr seltsames Licht – heller als das der Sonne, aber zugleich

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