Herren der Tiefe
heißen?« fragte Mike alarmiert.
»Das soll heißen, daß sie nicht daran denkt, uns die
NAUTILUS zu überlassen«, antwortete Trautman. »Ich habe sie
gefragt. Sie hat mich schlicht ausgelacht.«
»Aber das würde ja bedeuten, daß –« begann Mike und verstummte, ehe er den Satz zu Ende bringen konnte. Er hatte
einfach nicht den Mut, die letzten Worte auszusprechen.
Trautman hatte ihn. »Du warst so etwas wie unsere letzte
Hoffnung, Mike«, sagte er. »Wir haben gehofft, daß Serena mit dir reden würde, wenn schon nicht mit uns. Aber wenn sie das
nicht tut, dann sind wir gefangen wie alle anderen. Ohne die
NAUTILUS kommen wir nie wieder von hier weg.«
Es war die erste Nacht, die Mike erlebte, die im Grunde gar keine war. Neben allen anderen Überraschungen hielt die seltsame
Welt auf dem Meeresgrund noch eine für ihn bereit, auf die er
eigentlich gefaßt hätte sein müssen, die ihn aber trotzdem im
ersten Moment mehr als alles andere verblüffte: der Unterschied zwischen Tag und Nacht. Das milde weiße Licht, das aus
dem Nirgendwo kam, war ja nicht das einer Sonne, die am Morgen auf- und am Abend wieder unterging, und so fiel es ihm
sehr schwer, am »Abend« wie alle anderen zu Bett zu gehen und
zu schlafen.
Doch dies war
nicht der einzige Grund, aus dem er sich noch
stundenlang auf seinem Lager herumwälzte und vergeblich darauf wartete, daß sich der Schlaf einstellte. Die Kraft, die ihm
Serena gespendet hatte, hielt ihn nachhaltig wach, und selbst
wenn es nicht so gewesen wäre, hätten es wohl die Gedanken
getan, die sich hinter seiner Stirn im Kreise drehten. Er wollte
das, was Trautman ihm erzählt hatte, nicht begreifen. Er weigerte sich einfach, den Gedanken zu akzeptieren, daß sie für
den Rest ihres Lebens hier unten festsitzen sollten.
Irgendwann fand er schließlich doch in einen unruhigen, von
Träumen geplagten Schlaf, aus dem ihn Singh schließlich am
nächsten Morgen mit besorgtem Gesichtsausdruck weckte.
Das Frühstück, das sie allesamt in gedrückter Stimmung
einnahmen, bestand aus Früchten, Fisch und dem gleichen
wohlschmeckenden Saft, den er schon gestern bekommen hatte.
Und sie hatten kaum fertig gegessen, da erschienen Denholm und
seine beiden Begleiter wieder, um sie zu dem Besuch in der Stadt
abzuholen, von dem Trautman am vergangenen Abend gesprochen hatte.
Trotz allem war Mike sehr aufgeregt. Trautmans Andeutungen
hatten ihm ja so gut wie nichts über die Stadt verraten, aber er
hatte ihren phantastischen Anblick nicht vergessen. Von der
Klippe aus war sie nicht zu sehen, aber das lag wohl daran, daß
sie auf der anderen Seite des Hügels lag, auf dem sich ihr neues
Zuhause erhob. Mike brannte darauf, sie endlich kennenzulernen.
Außerdem würde er Serena Wiedersehen. Er war mittlerweile
ganz sicher, daß ihr eigentümliches Verhalten von gestern nur
ein Mißverständnis gewesen sein konnte. Es würde sich bestimmt aufklären. Serena würde sie ganz bestimmt nicht dazu
verurteilen, den Rest ihres Lebens als Gefangene auf dem Meeresgrund zu verbringen.
Er sollte enttäuscht werden – und das in jeder Beziehung.
Sie sahen die merkwürdige Riesenstadt wieder, als sie die
Hütte umrundet hatten und den Hügel auf der gegenüberliegenden Seite hinunterzugehen begannen. Aus der Nähe betrachtet, wirkte sie noch unheimlicher und fremdartiger als
vor drei Tagen, obwohl er noch immer keine Einzelheiten erkennen konnte. Die bizarren Türme und Gebäude blieben auch in der
Nähe, was sie von weitem gewesen waren: verschwommene
Schatten von sonderbar beunruhigendem Äußerem, die hinter
einer Art Nebel verborgen zu sein schienen, der sich jedem direkten Blick entzog. Es war einfach so, daß das, was man ansehen
wollte, immer gerade ein Stück hinter der Grenze des eben noch
klar Erkennbaren zu liegen schien. Alles, was er wirklich erfassen
konnte, war ein vager Eindruck von Größe, von gigantischen
Mauern und noch gigantischeren Türmen und Gebäuden.
Und diese Stadt war eindeutig nicht ihr Ziel.
Mike begriff es erst, als sie schon fast die halbe Strecke zurückgelegt hatten. Der Weg wand sich in engen Kehren und
Schleifen den Hang hinab, und allmählich gerieten die Türme
und Mauern der Riesenstadt außer Sicht. Anfangs war er auch
noch viel zu sehr damit beschäftigt, ihre fremdartige Umgebung
zu mustern: Was er gestern für Gras und ganz normale Büsche
gehalten hatte, das entpuppte sich bei näherem Hinsehen als eine Vegetation, wie es sie nirgendwo sonst
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