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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie weitergingen, erkannte Mike mehr Einzelheiten – aber
wenig davon war dazu angetan, seine Stimmung zu heben. Die
Stadt im Korallenwald bestand nach wie vor aus baufälligen Hütten, in denen ärmlich aussehende Menschen in zerlumpten Kleidern hausten. Das einzige, was nicht zu diesem Eindruck zu
passen schien, war die fast überschäumende Fröhlichkeit der
Menschen hier: Wohin Mike auch blickte, sah er in lachende
oder zumindest lächelnde Gesichter, sah er spielende Kinder
und Erwachsene, die beieinander standen und sich gutgelaunt
unterhielten oder ihnen fröhlich zuwinkten. Scherzworte wurden Denholm zugerufen, und aus vielen Hütten drangen fröhliche Stimmen und Gelächter. Vielleicht war es gerade der krasse
Unterschied zwischen der äußeren Armseligkeit des Anblickes,
den die Stadt bot, und dem fröhlichen Wesen ihrer Bewohner,
der ihn so verwirrte. Auf jeden Fall behielt er das, was ihm eigentlich auf der Zunge lag, als Denholm ihn nach einer Weile
fragte, wie ihm denn die Stadt nun gefiele, erst einmal für sich
und rettete sich in ein verlegenes Lächeln und ein Achselzukken. Das war zwar eindeutig nicht die Art von Antwort, die Denholm hatte hören wollen, aber der Anführer des Volkes lies sich
seine Enttäuschung nicht anmerken und fuhr fort, Mike und die
anderen herumzuführen und ihnen dies oder das zu erklären.
Es gab vier oder fünf Dutzend Häuser, in denen alles in allem
nicht einmal dreihundert Menschen leben konnten. Und der
Bach, den sie vorhin überquert hatten, floß am jenseitigen Ende der Lichtung dahin und versorgte die Menschen mit Frischwasser, und im umliegenden Korallenwald gab es Nahrung im
Überfluß. Die sonderbaren Bäume trugen fremdartige, aber
äußerst wohlschmeckende Früchte in solchen Mengen, daß davon auch noch die dreifache Anzahl von Menschen satt geworden wäre, und wem dies noch nicht reichte, der konnte zum Hafen hinuntergehen und dort fischen. Da es weder Jahreszeiten
noch so etwas wie schlechtes Wetter gab, bestand auch keine
Notwendigkeit, die Gebäude fester zu bauen, als sie es getan
hatten.
Mikes Ungeduld wuchs von Minute zu Minute, und es fiel ihm
immer schwerer, Denholm zuzuhören. Es war nicht so, daß ihn
das, was dieser ihm sagte, nicht interessiert hätte. Aber das alles
war nicht die Antwort auf die Fragen, die ihm auf der Seele
brannten. Und
schließlich unterbrach er den Redefluß ihres
Führers und stellte die Frage, die ihn am meisten bewegte:
»Wo ist Serena? Du hast gesagt, ich würde sie Wiedersehen.«
Strenggenommen hatte Denholm das nicht, und er schien auch
nicht bereit zu sein, über Serenas Aufenthaltsort Auskunft zu
geben. »Ich weiß nicht, ob wir sie jetzt stören sollten«, sagte
er ausweichend.
»Stören?« fragte Mike. »Wobei?«
Denholm wich seinem Blick aus. »Trautman hat mir bereits
erzählt, daß du eine… sagen wir: besondere Verbindung zu ihr
hast«, meinte er vorsichtig. »Aber weißt du, für uns ist sie auch
etwas Besonderes. Etwas ganz Besonderes sogar.«
»Wieso?« fragte Mike.
»Komm mit«, sagte Denholm. »Am besten, du siehst es dir
selbst an.« Er wandte sich um und ging auf einen runden, halb
aus Holz und Korallengewächsen, zum Teil aber auch aus
Stein errichteten Bau am südlichen Ende der Lichtung zu. Das
Gebäude war Mike bereits aufgefallen, aber er hatte noch keine
entsprechende Frage gestellt, denn er hatte angenommen, daß
Denholm ihm schon noch von sich aus erzählen würde, welche
Bewandtnis es damit hatte.
Trautman, Singh und Ben folgten ihnen, während Andre, Juan
und auch Chris sich in die entgegengesetzte Richtung aufmachten. Mike warf ihnen einen fragenden Blick nach, den Trautman lächelnd beantwortete: »Wir treffen sie später wieder. Sie
gehen sicher zu Malcolm und seiner Familie.«
»Malcolm?«
Diesmal war es Denholm, der antwortete, und zwar in hörbar
stolzem Ton: »Deine Kameraden haben bereits Freunde hier bei
uns gefunden. Ich bin sicher, daß es dir bald ebenso ergeht.«
Mike teilte diese Zuversicht nicht im mindesten. All diese lachenden Gesichter, die fröhlich spielenden Kinder, die freundlichen Erwachsenen… das alles war ihm beinahe schon zu viel. Aber vielleicht bin ich auch ungerecht, dachte er. Ich sollte
diesen Leuten hier wenigstens eine Chance geben, meine Sympathie zu erringen.
Als sie das Gebäude betraten, konnte er im ersten Moment so
gut wie gar nichts sehen. Das Dach war so weit wie alle anderen
hier davon entfernt, dicht zu sein, so daß das

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