Herren der Tiefe
sehr gerne haben.
Der Gedanke gab Mike einen tiefen, schmerzhaften Stich. Es
war nicht etwa Eifersucht oder Neid – er gönnte den beiden
ihr Glück, und er freute sich für André, der sich in Sarahs Nähe
so offensichtlich wohl fühlte. Aber zugleich dachte er auch an
Serena, für die er dasselbe empfand wie André für Malcolms
Tochter, auch wenn er sich das bisher nicht hatte eingestehen
wollen, und plötzlich war es ihm fast unerträglich, die
beiden
weiter anzusehen. Mit einem plötzlichen Ruck stand er auf und
fragte in ungeduldigem Ton: »Wie lange wollen wir eigentlich
noch hier herumsitzen und die Zeit vertrödeln? Ich will jetzt zu
Serena.«
»Das geht nicht«, antwortete Juan. »Malcolm will –«
»– sowieso zu ihr«, ertönte Malcolms Stimme von der Tür
her. »Ich muß mit Denholm reden, und wahrscheinlich ist er
wieder bei ihr.«
Malcolm, Trautman und dann auch Singh betraten das
Zimmer. Mike drehte sich zu ihnen herum.
»Dann begleite ich dich«, sagte er zu Malcolm.
»Das ist vielleicht keine so gute Idee«, sagte Trautman, aber
Malcolm unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln.
»Warum nicht? Ich habe nichts dagegen. Ihr könnte alle mitkommen, wenn ihr möchtet.«
»Nein«, sagte Trautman. »Ich bin… ein wenig müde.
Ich würde am liebsten zurück ins Haus auf der Klippe gehen.
Was ist mit euch?«
Die Frage galt Juan, Ben und Chris, die einhellig nickten. Nur
André fügte hinzu: »Ich bleibe noch hier, wenn ich darf. Ich
komme dann später zusammen mit Mike nach.«
»Ihr müßt nicht zurück dorthin«, sagte Malcolm. »Das Haus
ist nur für Neuankömmlinge gedacht. Ihr könnt hier in der Stadt
bleiben, gleich jetzt, wenn ihr wollt.« »Vielleicht… später«, antwortete Trautman. »Morgen oder übermorgen. Aber wir brauchen noch ein paar Tage, denke ich.«
Malcolm wirkte enttäuscht, versuchte aber nicht noch einmal,
Trautman und die anderen zum Bleiben zu überreden. Auch
Mike war überrascht – so gemütlich war die zugige Hütte auf
der Klippe nun wieder nicht, daß er besonders wild darauf gewesen wäre, noch eine oder zwei weitere Nächte dort zu verbringen. Erneut hatte er das Gefühl, daß mit Trautman und den
anderen irgend etwas nicht stimmte. Daß sie ihm etwas
verheimlichten. Aber er schob den Gedanken auch diesmal beiseite. Allein die Aussicht, nun endlich mit Serena sprechen zu können, hob seine Laune bereits wieder merklich. Er war sicher,
nun mit ein paar Worten das Mißverständnis von gestern aus der
Welt schaffen zu können.
Mike hatte ganz automatisch damit gerechnet, daß
Singh
ihm folgen würde, denn der Inder ließ ihn normalerweise keinen
Schritt tun, ohne ihn zu begleiten – was Mike manchmal ziemlich auf die Nerven ging, aber der Sikh nahm seine Aufgabe als
Leibwächter nun einmal ernst. Aber zu seiner Überraschung
blieb auch Singh bei Trautman und den anderen zurück. Mike war es allerdings nur recht. Was er mit Serena zu besprechen
hatte, das ging auch den Inder nichts an. Aber er wunderte sich
doch ein bißchen über den plötzlichen Sinneswandel seines
Leibwächters.
Serena bewohnte eines der größten Gebäude der Stadt, das
sich nahe des Waldrandes am gegenüberliegenden Rand der
Lichtung erhob. Zwei mit altertümlichen Vorderladern
bewaffnete Männer hielten vor der Tür Wache, traten aber
beiseite, als Malcolm und Mike sich näherten. Dabei zögerten
sie einen winzigen Moment, gerade lange genug, um Mike
merken zu lassen, daß sie nicht ganz sicher waren, ob sie sie
nun passieren lassen sollten oder nicht.
Im Inneren des Gebäudes war es so dunkel, daß er im ersten
Moment kaum etwas sah. Dafür hörte er sofort die aufgeregten
Stimmen von zwei oder drei Männern, die offenbar miteinander
stritten. Bevor er jedoch auch nur ein Wort verstehen konnte,
flitzte ein schwarzer Schatten auf ihn zu und sprang ihn mit
solcher Wucht an, daß er rückwärts taumelte und wahrscheinlich gestürzt wäre, hätte Malcolm nicht schnell die Hand ausgestreckt und ihn gehalten. Mike griff instinktiv zu
und
hielt das schwarze Fellbündel fest, das sich mit
spitzen
Klauen in seine Brust gekrallt hatte – und schnurrend den
Kopf an seinem Gesicht rieb.
»Astaroth!« keuchte er. »Würdest du… freundlicherweise…
die Krallen… aus meiner Haut nehmen?«
Der Kater gehorchte allerdings nicht sofort, und er machte
auch keine Anstalten, von Mikes Arm herunterzuspringen,
sondern kuschelte sich ganz im Gegenteil gemächlich in seiner
Armbeuge
Weitere Kostenlose Bücher