Herren des Wetens
Cho-Hag.
»Es muß natürlich alles zeitlich sorgfältig abgestimmt werden«, sagte Barak. »Wir müssen uns eine Möglichkeit ausdenken, Zeichen auszutauschen.«
»Das ist kein Problem, Barak«, versicherte ihm Polgara. »Das übernehmen wir.«
»Wißt ihr«, sagte Anheg, »ich glaube, das könnte wirklich klap-pen. Mit ein bißchen Glück nehmen wir Jarviksholm in einem Tag ein!«
»Ich hatte ohnehin nie etwas für lange Belagerungen übrig.« Silk nickte und polierte einen seiner vielen Ringe.
Zwei Tage später lag die cherekische Flotte vor den Halberger Schä-
ren – das war eine schmale Durchfahrt zwischen einer Gruppe winziger Felsinseln, die aus dem westlichen Küstengewässer der cherekischen Halbinsel ragten. Diese Inselchen waren mit Bäumen und Dickicht überwuchert und hoben sich grün von den Schneefeldern der höheren Berge des Inlands ab. Garion stand auf dem Achterdeck des Seevogels und nahm die wildromantische Schönheit dieser Küste auf. Ein leichter Schritt und ein vertrauter Duft hinter ihm kündeten ihm Tante Pol an.
»Ist es nicht beeindruckend, Garion?«
»Atemberaubend«, bestätigte er.
»Irgendwie erscheint es einem immer so«, sagte sie nachdenklich.
»Wenn man auf dem Weg zu etwas sehr Häßlichem ist, stößt man flüchtig auf etwas von bezaubernder Schönheit.« Sie blickte ihn ernst an. »Du wirst doch vorsichtig sein in Jarviksholm, nicht wahr?«
»Ich bin immer vorsichtig, Tante Pol.«
»O wirklich? Mir ist, als erinnere ich mich an einige Vorfälle, die noch gar nicht so viele Jahre zurückliegen.«
»Damals war ich noch ein Kind.«
»Ich fürchte, manches ändert sich nie.« Plötzlich legte sie die Ar-me um seinen Hals und seufzte. »O mein Garion! Du hast mir in den vergangenen Jahren gefehlt, weißt du?«
»Und du mir, Tante Pol. Manchmal wünsche ich…« Er beendete den Satz nicht.
»Daß wir in Sendarien hätten bleiben können?«
»Es war doch schön dort, nicht wahr?«
»Ja. Vor allem für ein Kind. Aber du bist jetzt erwachsen. Wärst du dort wirklich zufrieden gewesen? Es war sehr still und ruhig in Sendarien.«
»Wenn wir nicht weggegangen wären, hätte ich nie erfahren, wie es ist, auf andere Weise zu leben.«
»Aber wenn wir dort geblieben wären, hättest du Ce’Nedra nicht kennengelernt, oder?«
»Ich glaube, daran habe ich nie gedacht.«
»Gehen wir hinunter«, schlug sie vor. »Der Wind ist ziemlich kalt.«
Sie begegneten König Anheg und Barak auf einem schmalen Niedergang zum Unterdeck. »Barak«, sagte Anheg gerade, »du wirst schlimmer als ein altes Weib.«
»Es ist mir völlig egal, was du sagst, Anheg«, knurrte der rotbärtige Barak. »Jedenfalls wirst du mit dem Seevogel nicht diesen Fjord hochfahren, ehe die Katapulte aus dem Weg geschafft sind! Ich habe nicht soviel Geld in ihn gesteckt, daß jemand ihn von den Klippen mit Felsblöcken bewirft! Es ist mein Schiff, und darüber bestimme ich!«
Javelin näherte sich vom unteren Niedergang. »Gibt es Probleme, meine Herren?« erkundigte er sich.
»Ich habe nur ein paar Regeln für Anheg aufgestellt«, antwortete Barak. »Er übernimmt das Kommando über mein Schiff, während ich weg bin.«
»Wo wollt Ihr hin, Lord von Trellheim?«
»Ich begleite Garion bei seinem Angriff auf die Stadt.«
»Wie Ihr es für richtig haltet, mein Lord. Wie lange, glaubt Ihr, wird es dauern, bis wir die Mündung dieses Fjords erreichen?«
Barak zupfte an seinem üppigen roten Bart. »Diese rivanischen Schiffe mit Garions Truppen sind nicht ganz so schnell wie unsere Kriegsschiffe. Ich würde sagen, eineinhalb Tage. Was meinst du, Anheg?«
»Ja, in etwa.«
»Dann müßten wir also morgen abend dort sein?« fragte Javelin.
»Richtig«, bestätigte Barak. »Und dann kann der Spaß losgehen.«
Tante Pol seufzte. »Alorner!«
Nach ein paar gebrüllten Befehlen von Schiff zu Schiff krängte die gesamte Flotte im zunehmenden Wind, als sie auf Nordkurs bog, entlang der zerklüfteten Westküste Chereks, in Richtung Jarviksholm.
Am folgenden Morgen stieg Garion mit Barak und Hettar an
Deck, um die Sonne über den bewaldeten und mit Schnee bemützten Gipfeln aufgehen zu sehen. Die Schatten in den Tälern waren von dunstigem Blau, und auf dem Wasser glitzerten die ersten Son-nenstrahlen.
Ein cherekischer Seemann in Kettenhemd, der sich scheinbar mit dem Aufwickeln eines Taus beschäftigt hatte, drehte sich um und stieß plötzlich mit einem Dolch nach Garions ungeschütztem Rük-ken. Der Angriff
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