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Herren des Wetens

Herren des Wetens

Titel: Herren des Wetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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»Wie lange noch?«
    hauchte sie.
    »Ein paar Monate – sechs bestenfalls.«
    Porenn nickte. Dann hob sie trotz der Tränen in den Augen tapfer das Kinn. »Wenn Ihr ihn für kräftig genug haltet, möchte ich gern, daß Ihr ihm diese Mittel gebt, die seinen Verstand klar werden lassen. Es gibt viel, was ich mit ihm zu besprechen habe. Es müssen Vorkehrungen getroffen und Maßnahmen ergriffen werden – für unseren Sohn und für Drasnien.«
    »Ja, natürlich, Porenn.«

    Die bittere Kälte dieses langen, grausamen Winters brach ganz überraschend zwei Tage später. Des Nachts blies ein warmer Wind aus dem Golf von Cherek, er brachte starke Regengüsse mit sich, welche die schmutzigen Schneehaufen zu beiden Seiten der breiten Straßen von Boktor in bräunlichen Matsch verwandelten. Botschaft und Prinz Kheva, der Erbe des drasnischen Thrones, sahen sich durch den plötzlichen Wetterumschwung gezwungen, im Schloß zu spielen.
    Kronprinz Kheva war ein kräftiger kleiner Junge mit dunklem Haar und ernstem Gesicht. Wie sein Vater, der sieche König Rhodar, hatte Kheva eine Vorliebe für Rot und trug gewöhnlich ein Samtwams und enges Beinkleid in dieser Farbe. Obwohl Botschaft etwa fünf Jahre älter war als der Prinz, befreundeten die beiden sich sofort. Gemeinsam entdeckten sie, welch ungeheuren Spaß es machte, eine leuchtend bunte Holzkugel eine lange Steintreppe hin-unterzurollen. Nachdem die hüpfende Kugel jedoch dem obersten Kellermeister ein Silbertablett aus den Händen geschlagen hatte, wurden die beiden sehr eindringlich gebeten, sich mit etwas anderem zu beschäftigen.
    Eine Weile streiften sie durch die hallenden Marmorsäle und -korridore des Schlosses, Kheva in seinem leuchtend roten Samt, und Botschaft im einfachen Landmannsbraun, bis sie zu dem prächtigen Ballsaal kamen. Am hinteren Ende führte eine breite Marmortreppe vom oberen Stockwerk herab. Ein roter Läufer in Stufenmitte dämpfte die Schritte, und zu beiden Seiten befand sich ein Geländer aus glattem Marmor. Die zwei Jungen betrachteten nachdenklich die Geländer und erkannten sofort die großartige Möglichkeit, die der glatte Marmor bot. Entlang beider Seiten des Ballsaals standen auf Hochglanz polierte Holzstühle mit weichen Samtkissen. Die Jungen blickten auf die Geländer, dann auf die Kissen. Danach vergewisser-ten sie sich, daß sich weder Wachen, Lakaien noch sonst jemand in der Nähe der hinteren Flügeltür befanden. Vorsichtshalber schloß Botschaft die Tür, und nun machten er und Prinz Kheva sich an die Arbeit. Es gab sehr viele Stühle und sehr viele rote Samtkissen. Als diese Kissen am Fuß beider Treppengeländer aufgehäuft waren, bildeten sie einen beachtlichen Berg.
    Nachdem alles vorbereitet war, blickte Kheva Botschaft auffor-dernd an. »Nun?«
    »Dann wollen wir anfangen«, antwortete Botschaft.
    Nebeneinander stiegen sie die Treppe hoch, dann kletterte jeder auf eines der glatten, kühlen Geländer, die majestätisch hinab zu dem weißen Marmorboden des Ballsaales tief unten führten.
    »Los!« rief Kheva. Die beiden rutschten mit wachsender Geschwindigkeit hinunter und landeten mit weichem Plumps in den Kissenhaufen.
    Vergnügt lachend rannten die Jungen die Treppe wieder hoch und rutschten aufs neue hinunter. Alles in allem verlief der Nachmittag großartig, bis die Naht eines Kissens aufriß und Daunenfe-dern hochstoben. Und natürlich trat genau in diesem Augenblick Polgara auf Suche nach ihnen in den Ballsaal.
    Irgendwie war es immer so. Kaum hatte man etwas zerbrochen, ausgeschüttet oder umgekippt, kam irgendein Erwachsener daher, der etwas zu sagen hatte. Nie hatte man zuvor die Gelegenheit aufzuräumen oder den Schaden zu beheben, deshalb warfen solche Situationen immer das schlechteste Licht auf ein Kind.
    Jedenfalls öffnete sich in dem Moment die hintere Flügeltür und Polgara, jeder Zoll eine Königin in ihrem blauen Samt, kam herein.
    Ihr Gesicht war ernst, als sie das schuldbewußte Paar sah, das am Fuß der Treppe in seinen Kissenhaufen lag, während ein wahrer Schneesturm von Gänsedaunen um die beiden wirbelte.
    Botschaft hielt den Atem an.
    Sehr sanft schloß Polgara die Tür und ging langsam auf die beiden zu. Ihre Absätze klickten bedrohlich laut auf dem Marmorboden. Ihr Blick wanderte über die nun kahlen Stühle entlang der Sei-tenwände, danach zu den Marmorgeländern, schließlich zu den Jungen, auf denen die Daunen sich niederzulassen begannen. Und plötzlich fing sie zu lachen an, ein

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