Herren des Wetens
großartiges Versteck unter einer Treppe, und schlief dort ein. Schließlich nahmen alle Agenten im Palast an der Suche nach mir teil. Ihr würdet staunen, wie viele es waren!«
Diesmal lachte Silk schallend. »Welch ein schlechtes Benehmen, Vetter! Angehörige der königlichen Familie sollten sich nicht vor Agenten verstecken, denn das beunruhigt sie sehr! Das da drüben ist das Gebäude.« Er deutete auf ein großes, steinernes Lagerhaus auf einer ruhigen Nebenstraße.
»Ich dachte, das Hauptquartier befindet sich im gleichen Gebäude wie die Akademie«, wunderte sich Kheva.
»Das ist das offizielle Hauptquartier, Vetter. Hier ist das, wo die Arbeit getan wird.«
Sie betraten das Lagerhaus und schritten durch eine riesige Halle voll aufgestapelter Kisten und Ballen zu einer kleinen, unauffälligen Tür, gegen die ein kräftiger Bursche in Arbeiterkittel lehnte. Er blickte Silk nur kurz an, dann ließ er sie ein. Hinter der einfachen Tür befand sich eine große hellerleuchtete Schreibstube mit einem Dutzend oder mehr Tischen entlang den Wänden. Stöße von Pergamenten lagen auf allen, und an jedem saßen vier oder fünf Personen, die sich mit den Schriftstücken beschäftigten.
»Was machen sie?« erkundigte sich Botschaft neugierig.
»Informationen auswerten«, antwortete Silk. »Es passiert wahrscheinlich nicht viel auf der Welt, was den Männern hier verborgen bleibt. Wenn es euch wirklich interessierte, könnten wir hier wahrscheinlich sogar erfahren, was der König von Arendien heute zum Frühstück speiste. Aber wir wollen da drüben hinein.« Er deutete auf eine massive Tür an der hinteren Wand.
Die Stube dahinter war fast kahl, sie enthielt lediglich einen Tisch und vier Stühle, sonst nichts. Der Mann, der auf einem der Stühle am Tisch saß, trug ein enges schwarzes Beinkleid und ein perlgraues Wams. Er war dünn wie ein Skelett, und selbst hier, inmitten seiner eigenen Leute, wirkte er wie eine angespannte Sprungfeder. »Silk«, sagte er mit knappem Nicken.
»Javelin, Ihr wolltet mich sprechen?« fragte Silk.
Der Mann am Tisch blickte auf die beiden Knaben. Er neigte kurz den Kopf vor Kheva. »Eure Hoheit.«
»Markgraf Khendon«, sagte der Prinz mit höflicher Verbeugung.
Der Sitzende blickte Silk an, und seine Finger zuckten leicht.
»Markgraf«, sagte Kheva fast entschuldigend, »meine Mutter hat mich die Geheimsprache gelehrt. Ich weiß, was Ihr sagt.«
Fast zerknirscht hielt Javelin seine Finger nun still. »Von meiner eigenen Schlauheit hereingelegt, wie ich sehe.« Sein Blick wanderte fragend zu Botschaft.
»Das ist Botschaft, der Junge, den Polgara und Durnik aufziehen«, erklärte Silk.
»Ah!« sagte Javelin. »Der Träger des Auges.«
»Kheva und ich können draußen warten, wenn Ihr etwas zu besprechen habt, was nicht für unsere Ohren bestimmt ist«, erbot sich Botschaft.
Javelin überlegte. »Das wird wahrscheinlich nicht nötig sein«, entschied er schließlich. »Ich glaube, ich kann mich darauf verlassen, daß Ihr verschwiegen seid. Setzt Euch, meine Herren.« Er deutete auf die drei anderen Stühle.
»Ich habe mich von dieser Art Arbeit zurückgezogen, Javelin«, erinnerte Silk ihn. »Ich bin anderweitig sehr beschäftigt.«
»Ich habe nicht vor, Euch persönlich einzusetzen«, versicherte ihm der Geheimdienstmann. »Ich möchte lediglich, daß Ihr in einem Eurer Unternehmen zwei neue Leute unterbringt.«
Silk blickte ihn fragend an.
»Ihr befördert Güter von Gar og Nadrak aus über die nördliche Karawanenroute«, fuhr Javelin fort. »Nahe der Grenze liegen mehrere Ortschaften, deren Bürger Fremden gegenüber, die keinen glaubhaften Grund für ihre Durchreise angeben können, ausgesprochen mißtrauisch sind.«
»Und Ihr wollt meine Karawane benutzen, um Euren Leuten eine gute Ausrede für ihren Aufenthalt in diesen Ortschaften zu geben«, folgerte Silk.
Javelin zuckte die Schultern. »Das ist nicht unüblich.«
»Was tut sich denn in Ostdrasnien, das Euch so interessiert?«
»Das gleiche, was sich in den abgelegenen Gebieten immer tut.«
»Der Bärenkult?« fragte Silk ungläubig. »Ihr wollt Zeit an ihn vergeuden?«
»Seine Anhänger verhalten sich in letzter Zeit etwas merkwürdig.
Ich möchte herausfinden, weshalb.«
Silk blickte ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Nennt es müßige Neugier, wenn Ihr wollt.«
Der Blick, mit dem Silk ihn nun bedachte, war durchdringend. »O
nein! So leicht kriegt Ihr mich nicht an den Haken.«
»Seid Ihr denn kein
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