Herren des Wetens
erkundigte sich Polgara interessiert, als sie auf dem Weg zurück zu Ce'Nedra durchs Wohngemach kam.
»Ich habe nach jemandem gesucht, der uns sagen könnte, wo diese Art von Stich benutzt wird.« Silk schwenkte das blutbefleckte Unterhemd.
»Laß mich sehen.«
Wortlos händigte Silk es ihr aus.
Sie betrachtete es nur flüchtig. »Nordostdrasnien«, stellte sie fest.
»Aus der Gegend von Rheon.«
»Bist du sicher?« Silk sprang rasch auf.
Sie nickte. »Dieser Stich wurde vor Jahrhunderten entwickelt, damals, als alle Kleidungsstücke dort oben aus Rentierhaut angefertigt wurden.«
»Wie ärgerlich«, brummte Silk.
»Was?«
»Ich bin den ganzen langen Tag mit diesem Ding herumgelaufen, diese schrecklichen Treppen auf und ab, und ich war bei jedem Schneider und jeder Näherin in Riva – dabei hätte ich es bloß dir zu zeigen brauchen!«
»Das ist nicht meine Schuld«, entgegnete sie und gab ihm das Hemd zurück. »Wenn du immer noch nicht weißt, daß du mit solchen kleinen Problemen nur zu mir zu kommen brauchst, ist dir nicht zu helfen.«
»Danke, Polgara«, sagte er trocken.
»Dann war die Meuchlerin also eine Drasnierin!« stellte Garion fest.
»Eine Nordostdrasnierin«, berichtigte Silk. »Die Leute da oben sind ein seltsamer Schlag – fast noch schlimmer als jene, die im Moorland wohnen.«
»Seltsam?«
»Eingebildet, verschlossen, unfreundlich, eine verschworene Clangemeinschaft. Jeder in Nordostdrasnien tut, als müsse er persönlich sämtliche Staatsgeheimnisse hüten.«
»Warum sollten sie Ce'Nedra so hassen?« fragte Garion verwirrt.
»Ich würde kein so großes Gewicht auf die Tatsache legen, daß die Attentäterin eine Drasnierin war, Garion«, sagte Silk. »Leute, die Meuchler anheuern, für sie zu morden, tun das nicht immer bei sich zu Haus – und obgleich es eine Menge käufliche Meuchler auf der Welt gibt, sind nur wenige Frauen darunter.« Er spitzte nachdenklich die Lippen. »Trotzdem werde ich eine kleine Reise nach Rheon machen und mich dort gründlich umsehen!«
Als der Winter mit Eis und Schnee kam, erklärte Polgara, daß Ce'Nedra außer Gefahr sei. »Ich glaube, ich bleibe trotzdem. Durnik und Botschaft schaffen es zu Hause auch ein paar Monate ohne mich, und ehe ich richtig zu Hause wäre, würde ich wahrscheinlich gleich wieder umdrehen und zurückkehren müssen.«
Garion blickte sie verständnislos an.
»Du hast doch nicht wirklich geglaubt, ich würde zulassen, daß jemand anders Ce'Nedra von ihrem ersten Baby entbindet, oder?«
Kurz vor Erastide schneite es stark, und die steilen Straßen von Riva waren kaum begehbar. Ce'Nedras Laune verschlechterte sich merklich. Ihr zunehmender Umfang machte sie unbeholfen, und der tiefe Schnee auf den Straßen der Stadt zwang sie, in der Zitadelle zu bleiben. Polgara nahm ihre Gefühlsausbrüche und Weinkrämpfe ruhig hin und verzog dabei kaum die Miene. Nur einmal fragte sie beißend: »Du willst dieses Baby doch, oder?«
»Natürlich!« antwortete Ce'Nedra verärgert.
»Nun, dann wirst du durchhalten müssen! Es ist die einzige Möglichkeit, Leben in eure Kinderstube zu bringen!«
»Kommt mir nicht mit Vernunftgründen, Lady Polgara!« fauchte Ce'Nedra. »Ich bin nicht in der Stimmung, vernünftig zu sein!«
Polgara bedachte sie mit einem leicht amüsierten Blick, und wider Willen mußte Ce'Nedra lachen. »Ich bin kindisch, nicht wahr?«
»Ein bißchen ja.«
»Es kommt bloß daher, daß ich mich so unförmig und häßlich fühle!«
»Das vergeht, Ce'Nedra.«
»Manchmal wünsche ich mir, ich brauchte bloß Eier zu legen –
wie Vögel es tun.«
»An deiner Stelle würde ich über die altbewährte Weise froh sein, Ce'Nedra, denn ich glaube nicht, daß du die Geduld hättest, Eier auszubrüten.«
Erastide kam und verging ruhig. Die Feier auf der Insel war herzlich, aber etwas zurückhaltend. Es schien, als hielte das ganze Volk den Atem an und warte auf einen besseren Grund zum feiern. Der Winter strich dahin, und die Schneehaufen wuchsen von Woche zu Woche höher an. Etwa einen Monat nach Erastide setzte knappe zwei Tage Tauwetter ein, dann kehrte die Kälte mit noch größerer Stärke zurück und verwandelte die zusammengesunkenen Schneehaufen zu Eisblöcken.
»Sieh dir das bloß an!« wandte sich Ce'Nedra eines Morgens bald nach dem Aufstehen verärgert an Garion.
»Was denn, Liebes?«
»Das!« Sie deutete mit einer Grimasse zum Fenster. »Es schneit schon wieder!« Ihre Stimme klang anklagend.
»Es ist nicht
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