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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck
Autoren: Philip Tamm
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wenn ich es an meinen Patienten ausprobiere.«
    »Kein Problem, Doc. Immer her damit. Wenn ich an den Nebenwirkungen eingehe, macht das nichts. Es würde mir besser gehen als zuvor.«

     
    9:35 Uhr: Rufe in der Firma an und sage, dass ich nicht komme, unpässlich bin.
     
    11:55 Uhr: Laune sehr viel besser. Habe die Antwort nach dem Sinn meines Daseins wiedergefunden und kann daher auch aufstehen. Die Antwort lautet: Mittagessen.
     
    12:30 Uhr: Treffe mich mit meinem Kumpel Florian zum Mittagessen beim Griechen. Er ist Partner bei Matthiesen, Arnold & Friends, was nicht der Name einer Rockband ist, sondern einer Anwaltskanzlei, deren Klienten ihren Erstwohnsitz in London, Dubai oder auf den Bahamas haben. Florian trägt Anzüge, die ich mir von einem Monatsgehalt nicht leisten könnte, hat eine Armbanduhr, die ich mir von einem Jahresgehalt nicht leisten könnte und wohnt in einer gesamten Luxusloftetage, die ich mir mit meinem Lebenseinkommen nicht leisten könnte. Dafür hat Florian eine Frau, Katharina-Sophia, die er sich nicht leisten kann. Weil Katharina-Sophia a) nicht daran denkt, zu arbeiten, b) sich zu Tode langweilt und c) die Leere in ihrem Leben mit Shoppen füllt, wofür sie d) Florians Kreditkarte benutzt.
    Das Leben ist eben doch gerecht.
    Wir sitzen über unseren Souflaki, und er quirlt mir mal wieder die Ohren mit seinen Eheproblemen voll. Ich kontere, indem ich ihm von der Sache mit Katja erzähle. Ich bin mir todsicher, dass ich ihn diesmal in Sachen Pech mit Frauen ausstechen werde. Seine Antwort aber lautet: »Kannst du dir das vorstellen, Stefan? Sophia fliegt nach New York und kauft für dreißigtausend Dollar Kleider bei Macy’s. Zugegeben, sie war in letzter Zeit ein wenig niedergeschlagen,
und ich habe ihr geraten, sich was Gutes zu tun. Aber so was …«
    »Wenn Katja für dreißigtausend Dollar zu mir zurückkehren würde, würde ich sogar eine Bank dafür überfallen.«
    »Und dann die Sache mit dem Sex. Wenn ich mich abends an sie anschmiege, benimmt sie sich wie ein Tiefkühlfisch. Sie ist nur noch in Stimmung, wenn sie was von mir möchte, Klamotten, Schmuck, ein Dior-Handy.«
    »Beim Sex hatten Katja und ich nie Probleme. Im Bett hat’s funktioniert. Okay, es war jetzt nicht mehr gerade wie ein heißer Spielfilm, sondern eher wie’ne Serie. Aber die haben schließlich auch ihre Höhepunkte.«
    Offenbar dringt meine Story immer noch nicht in Florians Bewusstsein vor. Denn trotz meiner Offenbarung sagt er: »Weißt du, was ich letzte Woche dann getan habe? Ich habe alle unsere Karten sperren lassen. Aber das war wohl ein Fehler. Katharina-Sophia ist explodiert. Du kennst sie ja. Eigentlich sieht sie aus wie ein aus dem Ei geschlüpftes Supermodel. Aber als sie am Montag nach Hause kam - und zwar seit Jahren mal ohne Einkaufstüten -, ist sie total ausgeflippt. Sah aus wie Gisele Bündchen auf Speed. Knallrotes Gesicht, Schaum vor dem Mund, und in der Hand ihre Highheels, um damit auf mich loszugehen. Sie meinte, sie wäre noch nie so gedemütigt worden in ihrem Leben wie in dem Moment, als sie bei Cartier stand und das verdammte Collier nicht bezahlen konnte.«
    »Gedemütigt, das trifft es ganz gut. Geht mir auch so. Vor allem bei der Vorstellung, dass Katja vielleicht genau in diesem Augenblick mit diesem Raimund zusammen ist und sie kurzen, heftigen Sex in der Mittagspause haben.«

    Zum ersten Mal stockt Florian. Er macht ein nachdenkliches Gesicht, als hörte er irgendwo tief in sich drin das Echo meiner Worte, das aber schon zu undeutlich ist, um es wirklich zu verstehen. »Und bei euch ist so weit alles in Ordnung? Mit Katja und dir?«, fragt er.
    Ich winke ab. »Ja, ja, alles wie immer. Alles in Butter. Mach dir keine Gedanken.«
    »Ich beneide dich, Stefan. Echt. Ich habe das viele Geld, die Superwohnung, eine Freundin, die granatenmäßig aussieht. Aber was nützt mir das? Gar nichts. Du dagegen hast dein kleines, überschaubares Leben, aber dafür eine Beziehung, bei der alles stimmt. Würde am liebsten tauschen.«
    Ich lächele wie Günther Jauch, wenn er bei einer Fünfhunderttausend-Euro-Frage um einen Lösungshinweis angebettelt wird. »Ich glaube, das lässt sich einrichten, Florian. Ich kriege deinen Wagen, die Wohnung, die Kohle und deine Katharina-Sophia. Und du kriegst dafür meinen Maklerjob und Katja. Kein Thema. Ich bin dabei.«
     
    0:46 Uhr: Bilanz des Tages durchwachsen. War nach dem Essen mit Florian nicht ganz so gut drauf. Musste darüber nachdenken, ob
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