Herrengedeck
Woman ansehen musste. Bei
der Opernszene fing Katja immer zeitgleich mit Julia Roberts an zu heulen. Nur dass ich ihr dann kein wohlriechendes Stofftaschentuch reichte, sondern höchstens ein altes Zewa.
Außerdem war ich selbst auch mal mit Katja in der Oper gewesen, und es war nicht gerade ein Erfolg. Ich hatte ihr in der Pause im Vorraum mit voller Lautstärke Viva Colonia vorgesungen, um ihr zu beweisen, dass ich ohne weiteres das elfte Mitglied der Ten Tenors sein könnte. Katja meinte, ich würde besser zu den Zehn Idioten passen. Den restlichen Abend tat sie so, als würde sie mich nicht kennen.
Jedenfalls hat dieser Raimund, ohne es zu ahnen, genau den richtigen Nerv bei Katja getroffen. Vermutlich ist sie darum auch bereit, über seine sonstigen Charakterschwächen großzügig hinwegzusehen. Aber egal. Früher oder später wird sie ihren Fehler schon einsehen und zu mir zurückkommen.
15. Tag: Samstag
11:15 Uhr: Liege im Bett und liste Dinge auf, die ich ab sofort nicht mehr tun werde, weil ich sie sowieso nur Katja zuliebe getan habe. Dinge also, die absolut meiner Natur widersprechen:
1. Beim Abbiegen blinken
2. Beim Pinkeln sitzen
3. Bier aus dem Glas statt aus der Flasche trinken (zu Hause!)
4. Hähnchen mit Messer und Gabel essen
5. Beim Sex tief in die Augen gucken
6. Nach dem Sex tief in die Augen gucken
7. Überhaupt immer tief in die Augen gucken
8. Brav gehorchen, wenn wir Gäste haben und sie mich auffordert, noch dies oder jenes aus der Küche zu holen
9. So tun, als ob mir das pinkfarbene Businesshemd und die silbergraue Krawatte gefallen, die sie mir geschenkt hat
Andere Dinge dagegen werde ich ab sofort sehr wohl tun. Weil ich sie bisher nur deswegen bleiben ließ, weil Katja es von mir verlangt hat.
1. Unrasiert und ohne Krawatte ins Büro gehen
2. Typen, die ich nicht leiden kann, sagen, dass ich sie nicht leiden kann
3. Frauen, die ich scharf finde, sagen, dass ich sie scharf finde
4. Fotos von mir ins Internet stellen, auf denen ich drei Promille habe, ein Schlumpfkostüm trage und ein Tanzmariechen anbaggere
5. Essen nach Lust und Laune
Halt! Stopp! Ende der Liste. Es gibt Dinge, die muss sich ein Mann nicht vornehmen und die muss er auch nicht auf eine Liste setzen. Die muss er TUN!
13:38 Uhr: Hinter mir liegt etwas, wovon ich schon lange geträumt habe, mir bisher aber der Mut gefehlt hat, es zu verwirklichen: ein kurzer und schmerzloser Besuch beim nächstgelegenen Porschehändler.
Das Ergebnis des Besuches ist weiß, hat dreihundertfünfundvierzig PS und hört auf den Namen Targa. Und er gehört mir. Jedenfalls probeweise.
Außerdem hat das Ganze die wunderbare Nebenwirkung, meinen Freund Andy sprachlos zu machen. Er steht am Straßenrand vor seiner Haustür, reibt sich die Augen wie ein Fünfjähriger an Weihnachten, der die heiß ersehnten Duplosteine bekommt, und sagt: »Scheiße, Alter! Ist das wahr? Du hast es echt getan? Ich glaube, ich spinne.«
»Tust du. Aber egal. Los, steig ein. Wir machen’nen Probeflug.«
»Ich glaube es einfach nicht.«
»Brauchst du nicht. Hauptsache, du schnallst dich an.«
16:25 Uhr: Manche Leute behaupten, dass ein Porsche ein Spielzeug für große Jungs ist. Meine Meinung: Sie haben Recht. Aber es ist halt ein verdammt geiles Spielzeug.
Andy und Bernd (den wir vorhin abgeholt haben) sitzen mit mir im Wagen. Wir sind irgendwo auf der A 60 unterwegs und streiten uns. »Jetzt lass mich auch mal«, quengelt Andy mit einer Stimme, als würden Bernd und ich seit zwei Stunden Carmen Electra vögeln und er darf nur zugucken.
»Und was ist mit mir?«, nörgelt Bernd in der gleichen Tonlage. Bei ihm kann ich es noch besser verstehen, weil er seit zwei Stunden hinten auf der Notbank sitzen muss. Ein Porsche ist eigentlich ein Zweisitzer. Oder noch eigentlicher ein Einsitzer. Also im Grunde das, was im Wilden Westen für einen Cowboy sein Pferd war. Der einzige Unterschied: Das Pferd hat Heu gefressen, und der Targa frisst Shell V Power, und zwar mit einem so dermaßen großen Appetit, dass Saudi-Arabien wegen uns demnächst die Förderquote erhöhen muss.
17:04 Uhr: Porsche fahren ist geiler als Sex, aber irgendwann wird sogar Sex ermüdend. Höchste Zeit für eine Pause. Wir wollen irgendwo einkehren und uns stärken. Andy, der inzwischen am Steuer sitzt, blinkt und nimmt die nächste Abfahrt. Kurz darauf sind die Schilder nicht mehr blau, sondern gelb und die Geschwindigkeitsbegrenzung ist nicht mehr unendlich,
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