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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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Geschrei aus dem Zelt nur noch schwach zu hören sind. Kellnerin Marion beugt sich über mich, um mir die wunden Stellen im Gesicht abzutupfen. Dabei schlenkert sie mit ihren Prachtdingern so verführerisch vor meinen Augen herum, dass mein Metabolismus in Entscheidungsnot gerät. Bin ich jetzt schwer verletzt und falle gleich in Ohmacht? Oder bin ich doch noch in der Lage, etwas mit dieser prächtigen Landpomeranze anzufangen?
    Sie gibt mir die Antwort gleich selbst, denn der Abschluss ihrer Behandlung ist ein langer Kuss auf den Mund. Ich ziehe sie zu mir hinunter, was sie gerne mit sich geschehen lässt. Wir machen mächtig miteinander herum, und zwischendurch blicke ich hoch in einen sternenübersäten Nachthimmel. Schon seltsam, denke ich dabei. Seit zwei Wochen kann ich eigentlich an nichts anderes denken als an Katja und die Tatsache, dass sie mich verlassen hat. Oder nein, eher an die Tatsache, dass ich sie unbedingt zurückgewinnen möchte.
Und zwar mit einer anderen Frau. Und jetzt habe ich eine im Arm und muss an alles Mögliche denken, aber eben nicht an Katja.
    Marion merkt, dass ich auf einmal nicht mehr so ganz bei der Sache bin. Sie richtet sich auf und sieht mich fragend an. »Woran denkst du? Oder sollte ich fragen, an wen?«
    »Nein, solltest du nicht.«
    »Versteh schon. Außerdem darfst du auch nicht fragen.«
    »Heißt das, es gibt jemanden?«
    Sie hält ihre Hand hoch, an der ein Ehering funkelt. »Reicht die Antwort?«
    »Das tut mir leid. Das wusste ich nicht«, antworte ich und fühle mich gleichzeitig blind und blöd. Denn erstens habe ich den Ring vorhin beim Essen im Gasthaus ganz offenbar übersehen. Und zweitens habe ich mich mit einer verheirateten Frau eingelassen, was nur einen Schluss zulässt: Als Kandidatin für Andys großen Plan kommt Marion nicht in Frage. Was mache ich also hier?
    Marion gibt mir auf die Frage eine einfache und ziemlich überzeugende Antwort. Erst drückt sie mir nämlich einen weiteren satten Kuss auf die Lippen und dann sagt sie: »Ist doch ganz egal, oder nicht? Du hast eigentlich jemanden, ich habe eigentlich jemanden - aber im Moment sind wir eben trotzdem hier. Also lass uns einfach nicht drüber reden. Und ich weiß auch, wie uns das sehr viel leichter fällt.«
    Mit diesen Worten reicht sie mir eine Flasche Doppelkorn. Ich nehme einen tiefen Schluck, der die Schmerzen lindert, die mir immer noch durch den Schädel dröhnen. Sie nimmt ebenfalls einen tiefen Schluck und dann drückt sie mich wieder ins Gras hinunter.

16. Tag: Sonntag
    10:25 Uhr: »Stefgraenn?«
    »Stegradndentent! Wostechstendualter??«
    Mir kommt es vor, als würde jemand eine Mega-Blaster-Titanium-Soundkarte an einen zweihundertsechsundachtziger Chip von Intel schließen. Bis der lahme Prozessor die Datenmenge eines einzigen MP3-Stückes verarbeitet und in sinnvolle Laute umgewandelt hat, würde eine Ewigkeit vergehen. Genauso ist es mit meinem Kopf. Ich höre seltsame Laute, aber bis mein alkoholgeschädigter Zentralprozessor die Soundbits entschlüsselt hat, vergehen lange Minuten.
    Als es so weit ist, höre ich Folgendes: »Stefan?«
    »Stefan! Wo steckst du, Alter?«
    Handelt sich eindeutig um die Stimmen von Andy und Bernd. Blöd nur, dass ich die Antwort auf ihre Frage nicht kenne. Ich weiß nicht, wo ich stecke. Ich weiß nur, dass es sticht und juckt und irgendwie nach Heu riecht. Und ich weiß, dass ich nicht besonders viel anhabe. Schuhe vielleicht.
     
    10:36 Uhr: Ich torkle aus dem Heuschober, in dem ich aus irgendeinem Grund geschlafen habe, und blicke in die grinsenden Gesichter meiner Freunde.

    »Mann, Alter. Wo sind deine Klamotten?«
    »Und was machst du überhaupt hier?«
    Gebe die ehrlichste Antwort, zu der ich in der Lage bin: »Ich habe keine Ahnung.«
    »Respekt, Alter. So besoffen möchte ich auch mal wieder sein.«
    Ich lasse mich auf der Wiese neben dem Schober nieder und massiere mir die Schläfen, in denen es pocht, als würde in meinem Kopf gerade eine neue U-Bahn gebaut. Die beiden setzen sich neben mich, und Bernd ist so nett, mir sein Hemd zu geben, das ich mir wie einen Lendenschurz umbinde. Eine ganze Zeit lang sagen wir gar nichts und genießen einfach die strahlende Julisonne. Dann mustere ich die beiden und stelle nun meinerseits eine Frage: »Sagt mal, sehe ich eigentlich genauso scheiße aus wie ihr? Ich meine, genauso durch den Wolf gedreht, gehäckselt und mit Dung beworfen?«
    Das ist nicht nett, aber angemessen: Andy und Bernd sehen nämlich

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