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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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Stirn an und fragt: »Bist du gegen den Schrank gelaufen? Oder hattest du einen Unfall?«
    Stimmt, sehe immer noch aus wie Bruce Willis beim Finale der Stirb langsam -Teile . Mein rechtes Auge gleicht einer überreifen Avocado, mein linkes Jochbein leuchtet wie eine Blutorange und mein humpelnder Gang erinnert an den Star Wars-Roboter C-3PO. Die Eifel wird mir in guter Erinnerung bleiben. »Nee, bin beim Rasieren ausgerutscht«, erkläre ich Michi.
    »Womit rasierst du dich denn? Mit’ner Schlagbohrmaschine?«

     
    11:38 Uhr: Verbringe den Vormittag superfleißig am PC. Meine Kollegen erkennen mich vermutlich nicht wieder, weil ich seit Jahren nicht mehr so konzentriert vor meinem Bildschirm gesessen und auf meine Tastatur eingehämmert habe. Führt zu einem rekordverdächtigen Wert von fünfundzwanzig Anschlägen pro Minute. Darüber sollte sich doch eigentlich auch mein Arbeitgeber freuen. Vor allem weil er nicht weiß, dass ich in Wahrheit nur meine Onlinekontakte pflege und Dating-Mails verschicke.
     
    12:25 Uhr: Zwischenkrise. Grübelgrübel. Alles Mist. Sitze im Büro und schreibe Mails an Frauen, die vermutlich nur einen Freund suchen, den sie dann verlassen können. So sind sie nämlich. Bin da Experte.
     
    12:44 Uhr: Okay, Männer sind auch nicht besser. Schließlich ist es ja nicht so, dass ich nicht meinerseits auch mal daran gedacht hätte, Katja zu verlassen. Habe sogar oft darüber nachgedacht. Na ja. Einmal zumindest.
    Das ist jetzt drei oder vier Jahre her. Wir verbrachten unseren Sommerurlaub in einem Hotel in Rimini, das laut Katalog einen eigenen Strandabschnitt, einen eigenen Pool und ein reichhaltiges Freizeitangebot hatte: Minigolf, Fahrradverleih und tägliches Karaoke. Stimmte so weit auch. Der Minigolfplatz war so mini, dass er eine einzige Bahn hatte, ein Fahrrad konnte man leihen, wenn man es vorher reparierte, und der eigene Strandabschnitt war einen Meter breit, wovon achtzig Zentimeter von einem stinkenden Abwasserkanal eingenommen wurden. Italien halt.
    Nur der Pool, der war total klasse. Darum lagen Katja und
ich von morgens bis abends dort herum und verbrachten einen wunderschönen Urlaub. So weit, so gut. Zwei Monate später, als wir längst wieder in Köln waren, klingelte es überraschend an der Tür. Es war ein Samstag. Ich war alleine zu Hause, weil Katja beim Friseur war. Ich öffnete die Tür und vor mir stand eine zierliche, hübsche Frau, die mich aus verheulten Augen ansah und dann in einer Sprache auf mich einredete, die ich nicht verstand. Ich zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich nix kaufen. Du gehen.«
    Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, legte die Stirn in Falten und sagte mit hoch konzentrierter Stimme ein paar Wörter auf Deutsch, die sie offenbar auswendig gelernt hatte: »Ich Rimini. Du Rimini. Ich dich sehen. Du mich sehen. Ich hier, weil ich liebe dich.«
    Da fiel es mir wieder ein. Sie war die Frau, die in unserem Hotel an der Handtuchausgabe am Pool gearbeitet hatte. Damals hatte sie die Haare hochgesteckt und eine sexy hellblaue Hoteluniform getragen. Und Tatsache, ich hatte mir jeden Tag vorgestellt, wie es wäre, ihr die Uniform aufzuknöpfen und es mit ihr in dem Berg der schmutzigen Poolhandtücher zu treiben.
    Ab und zu werden Träume halt wahr. Sie war nach Deutschland gekommen, nur um mir zu erklären, dass sie mich liebte! In diesen Minuten, die wir im Hausflur voreinander standen, stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich mich jetzt für sie entschied. Ich würde schnell ein paar Sachen zusammensuchen, mit ihr zum Wagen gehen und weit, weit wegfahren, vielleicht nach Italien, oder sogar noch viel weiter. Wir würden zum Beispiel ein Hotel eröffnen, ein paar Bambinis machen, ich würde von der vielen Arbeit schlank, sie
würde von dem vielen Essen fett. Aber wir wären glücklich und zufrieden bis ans Ende unserer Tage.
    Ich tat es nicht. Stattdessen strich ich ihr über die Wange, und sagte: »Grazie.« Das einzige Wort auf Italienisch, das ich kann. Dann schloss ich die Tür vor ihrer Nase und ignorierte ihr Hämmern und Dauerklingeln. Irgendwann sah sie ein, dass sie umsonst gekommen war und zog ab.
    Als Katja am Mittag vom Friseur kam, gaben wir uns einen Kuss und sie fragte: »Und? War was?«
    »Nö.«
    Tja. So bin ich. Hätte ich ihr vielleicht mal sagen sollen, damals. Vielleicht wüsste sie dann besser, was sie an mir hat.
     
    12:53 Uhr: »Hey, Träumer. Du siehst aus, als könntest du ein Mittagessen vertragen … Na ja,

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