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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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Bernd macht wieder mal den Vernünftigen und sagt: »Hey, Jungs. Einer von uns muss sich beim Trinken zurückhalten. Schließlich müssen wir noch zurückfahren.«
    »Müssen wir nicht«, sagt Andy.
    »Du willst hierbleiben?«, frage ich erstaunt.
    Statt zu antworten, deutet Andy mit dem Kinn auf ein Plakat, das an der Wand neben dem Tresen hängt und auf
eine Zeltdisco hinweist, die heute Abend in einem Nachbarort stattfindet. Inklusive Happy Hour, Livemusik, Armdrück-Contest und Miss-Wet-T-Shirt-Wettbewerb.
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagt Bernd mit einem Gesichtsausdruck, als hätte Andy nicht einen Partyabend vorgeschlagen, sondern eine freiwillige Darmspiegelung.
    Andy sieht mich an. »Was meinst du?«
    Ich grinse. »Blöde Frage. Da simmer dabei. Dat ist prima!«
     
    22:30 Uhr: Vor genau einer Woche habe ich noch auf der Party von Albrecht Sonnenheim verschämt ein paar Straßenecken weiter geparkt, um nicht negativ aufzufallen. Jetzt blende ich sogar auf und drücke auf die Hupe, damit es auch alle mitbekommen, als ich auf den Parkplatz vor dem Festzelt fahre. Ist halt ein Hochgenuss, einen Targa neben jeder Menge Golfs, Vectras und Subarus abzustellen. Allerdings sehen die Fahrer der anderen Wagen so gar nicht beeindruckt aus. Eher genervt.
     
    22:48 Uhr: Als wir das Festzelt betreten, weiß ich, dass das hier nicht Germanys Next Topmodel ist, sondern Bauer sucht Frau . Die Männer stehen mit herausgedrückter Brust und Heavy-Metal-TShirts rum und haben einen Blick, als wären sie gerade vom Trecker angefahren worden. Die Frauen tragen pinkfarbene Sweatshirts mit Strassbesatz, haben Palmenfrisuren und bewegen sich nicht wie auf dem Catwalk, sondern als wären sie die Kandidatinnen auf einer landwirtschaftlichen Leistungsschau. Macht nicht so richtig Spaß. Ich will fummeln, nicht melken.

     
    22:51 Uhr: Was soll’s. Um Gold zu finden, muss man erst einmal im Dreck wühlen. Und bis es so weit ist, trinken wir am besten etwas. Wir drängeln uns durch das alkoholselige Gewühle, das gerade von einem dieser Sprech-DJs angeheizt wird: »Heyheyhey, Party-People! Wie geht’s euch? Alles locker im Schritt? Jojojo! Ihr kriegt jetzt was auf die Ohren von mir, und zwar die guten alten jungen Männer aus New York mit ihrem Mega-Smashhit YMCA, und ich will, dass ihr mir die Tanzfläche zum Schlachtfeld macht. Alles klar?! Und ab die Poooooooosssssst!«
    Ich bewundere solche Typen, die schon als Jugendliche auf der Kirmes die Raupe animiert haben, dann als junge Männer den Dorf-DJ machen, als Erwachsene durch die Lautsprecheranlage eines Supermarktes röhren und als Rentner in der Bingohalle die Gewinnzahlen durch den Raum brüllen. Talent ist Talent, und das macht sich bezahlt.
    Erreiche als Erster die Theke und bestelle sechs Bier und sechs Korn, die ich dann gerecht auf mich und die Jungs verteile. Bernd macht uns darauf aufmerksam, dass er nur zwei Hände und nur einen Mund hat. Andy, der auf meiner Wellenlänge liegt, klärt ihn auf: »Mann, Alter. Den ersten Schnaps kippst du runter. Das erste Bier trinkst du gegen den Durst. Den zweiten Schnaps kippst du wieder. Und das zweite Bier füllt dir die Wartezeit, bis die neue Runde da ist.«
    Der Wirt am Tresen, der das mit angehört hat, nickt uns anerkennend zu und sagt: »Na, ihr Jungs wollt es aber wirklich wissen.«
    »Klar, Komasaufen ist schließlich nicht nur für Teenager.«
    »Stimmt. Das machen wir hier schon seit Jahrhunderten«, erklärt er. »Im Übrigen solltet ihr dem Tisch da vorne’ne
Runde spendieren. Da sitzt das örtliche Polizeirevier. Die drücken dann später ein Auge zu, wenn ihr euch wieder hinters Steuer setzt.«
     
    1:15 Uhr: Ich will keine Binsenweisheiten über den Zusammenhang von weiblicher Schönheit und männlichem Alkoholkonsum von mir geben. Ist ziemlich abgeschmackt. Vor allem aber funktioniert es nicht. Wir haben zwar in den zurückliegenden drei Stunden den halben Jahresausstoß der örtlichen Dorfbrauerei in uns reingekippt, und den der örtlichen Destille gleich hinterher. Aber so richtig begeistert sind wir vom Publikum immer noch nicht.
    Besonders Bernd ist genervt und macht giftige Bemerkungen, weil er ja sowieso lieber nach dem Essen nach Hause zurückgefahren wäre. Er lästert also mächtig ab, und zwar über alles, die Frauen, die Männer, die Musik, überhaupt die ganze elende Veranstaltung. Leider achtet er nicht so richtig darauf, wer ihm bei seinen Tiraden so zuhört und wer gerade zufällig hinter ihm

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