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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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zum ersten Mal seit acht Jahren Sex mit einer anderen Frau. Und da ich vor Katja ja eine ganze Weile solo war, ist es in Wahrheit sogar noch ein bisschen länger her. Nicht, dass ich das jetzt wirklich so wichtig fände. Und es ist auch nicht so, dass ich mich in den zurückliegenden Jahren wirklich danach gesehnt hätte. Aber dennoch fühle ich mich auf einmal wie ein Bauer, dem auf einmal einfällt, dass er ja eigentlich Fischer ist. Und dass die See sein eigentliches Zuhause ist.
    Wenn ich ganz ehrlich bin, kommt noch etwas anderes hinzu. Auch wenn es peinlich ist. Und kleinlich. Und typisch Mann. Ich bin vergangene Nacht sozusagen mit Katja gleichgezogen. Ich werde ihr das natürlich niemals sagen, aber ich weiß, dass es an dem Tag, an dem ich sie wieder in die Arme schließen werde, eine Bedeutung haben wird. Denn wenn ich ihr in die Augen sehe, werde ich darin nicht die Erinnerung
an diesen Raimund suchen. Weil ich viel zu sehr damit beschäftigt sein werde, meine Erinnerungen an Marion zu verbergen.
    Und noch etwas wird mir klar. Ich merke auf eine angenehme Art, dass die Dinge sich verändert haben. Dazu muss ich mich nur mit mir selbst vergleichen, wie ich genau heute vor zwei Wochen im Bett gelegen und an die Decke gestarrt habe. Damals war ich innerlich noch der felsenfesten Überzeugung, dass mein Leben nie wieder dasselbe sein würde. Weil es Katja nicht mehr gibt. Weil sie vielleicht nie wieder zurückkommt. Weil ich sowieso ein Idiot bin, den keine haben will.
    Das mit dem anderen Leben, das denke ich immer noch. Aber das mit dem Idiot eben nicht mehr. Im Gegenteil. Ich denke, dass die Zeit, die wir, also Katja und ich, gerade durchmachen, für uns beide gar nicht so verkehrt ist. In einigen Monaten werden wir wieder zusammen hier sitzen und dann werden wir merken, dass wir eine Menge gelernt haben. Ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, worin die Lektion genau besteht.
    Vielleicht heißt sie für mich, dass ich wieder besser weiß, was eigentlich wichtig für mich ist. Und worauf ich nicht verzichten möchte. Ich meine gar nicht die Sache mit Marion und den Sex mit anderen Frauen. Darauf kann ich hervorragend verzichten, solange ich nur Katja habe. Nein, ich meine die Tatsache, dass ich mich trotzdem - trotz Katja, trotz unseres Zusammenlebens, trotz unserer Bindung - frei fühlen möchte. So wie gestern während unserer Autofahrt. Oder so wie gestern Nacht mit Marion. Oder auch so wie in diesem Moment, während ich hier liege und denke, dass das Leben gar keine so üble Veranstaltung ist.

17. Tag: Montag
    8:15 Uhr: Ich trete auf die Badezimmerwaage, und zwar so vorsichtig, als wäre sie mit einem Teppich aus Reißzwecken belegt. Dann beuge ich mich ganz langsam nach vorne und spähe an meinem Bauch vorbei in Richtung Skala.
    Okay, das Ding muss kaputt sein. Oder größenwahnsinnig. Oder sind das vielleicht Angaben in Pfund?
     
    8:16 Uhr: Verbraucht Duschen eigentlich Kalorien? Ist schließlich wie Schwimmen, nur im Stehen.
     
    8:17 Uhr: Mache Kraulbewegungen, was in der engen Duschkabine gar nicht so einfach ist. Schließe dabei die Augen und versuche mir vorzukommen wie Michael Phelps, der während der Pekinger Olympiade acht Goldmedaillen abgeräumt hat. Wie würde ich wohl mit einem Haihaut-Ganzkörper-Badeanzug aussehen? Vermutlich wie eine Kreuzung aus einem Kugelfisch und einer Rügenwalder Teewurst.
     
    10:25 Uhr: Im Büro. Ich habe mich immer gefragt, warum Männer, die von ihren Frauen verlassen werden, danach oft auch ihren Job verlieren - und anschließend ihre Wohnung,
ihr Auto, ihren Fernseher und alles andere. Jetzt weiß ich es. Liegt nicht daran, dass sie auf einmal physisch und psychisch verwahrlost wären und sich um nichts mehr kümmern können. Es liegt daran, dass sie einfach keine Zeit mehr haben. Weil ihr gerade eben noch so beschauliches Leben auf einmal mit der Geschwindigkeit einer auf Fast Forward gestellten DVD abläuft.
    In meinem Falle heißt das, dass ich Wichtigeres zu tun habe, als mich um den Verkauf oder die Vermietung von Wohnungen zu kümmern. Ich habe noch genau dreizehn Tage Zeit, bis ich meine über alles geliebte Freundin wiedersehe. Das sind nicht einmal mehr zwei Wochen. Nicht gerade lang, um eine Frau an Land zu ziehen, die mein Leben wieder in Ordnung bringen soll - indem sie Katja erst in die Eifersucht und dann zurück in meine Arme treibt.
     
    10:53 Uhr: Michi Strunz rollt mit seinem Bürostuhl vor meinen Schreibtisch, sieht mich mit gerunzelter

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