Herrengedeck
falschen Seite meine Mail geschrieben haben. Peinlich. Nix wie weg! Ich stehe auf und verlasse die Kneipe, in der wir verabredet waren, sie aber steht genauso schnell auf und rennt hinter mir her: »Häy, du bist Vollidiot! Du mussst bäzahlen mich. Mistkerl.«
Ich bleibe kurz stehen und überlege, wie groß die Chance ist, dass sie mir die Russenmafia auf den Hals hetzt. Zu meiner Beruhigung sehe ich, dass sie nur noch eine abfällige Geste für mich übrighat, mich ansonsten aber aufgegeben hat.
23 Uhr: Das vierte Date. Sie heißt Marianne, ist im Karnevalsverein aktiv und kann sich erst spät am Abend verabreden, weil sie als Kellnerin arbeitet. Als ich zum Treffpunkt
komme, wartet sie schon auf mich. Sie ist noch hinreißender als auf ihrem Foto im Internet: Weißblonde Haare, gebräunter Teint, Nasenstecker und ein Lächeln, das nicht mal Hauptschulreife verrät. Kurz und gut, sie ist der Typ Frau, von dem jeder Mann träumt, wenn er in einer richtig schmutzigen Laune ist. Und sie ist der Typ Frau, den ich brauche, um Katja in die Raserei zu treiben.
Ich nähere mich ihr und bemühe mich um einen federnden, selbstbewussten Gang. Der erste Eindruck ist schließlich entscheidend. Ich überprüfe noch einmal, ob mein Hemd gut sitzt. Dann hole ich ein paarmal tief Luft, um das Atmen danach erst einmal einzustellen. Ist eine gute Methode, um meine kleine Problemzone (ich spreche von dem Medizinball zwischen Gürtel und Brust) ein wenig zu kaschieren.
Die Methode hat allerdings einen Nachteil. Als ich Marianne begrüße, klingt meine Stimme wie die eines heiseren, kettenrauchenden Asthmatikers mit nur einem Lungenflügel, der sich außerdem verschluckt hat: »Hallo. Ich bin Stefan.«
Sie sieht hoch, lächelt auf eine Art, bei der andere Männer schon abgehen würden, und sagt: »Das meinst du doch nicht ernst, du Spinner.«
Und dann steht sie auch schon auf und rauscht in Richtung Ausgang.
Ich atme aus, woraufhin mein Bauch nach vorne ploppt wie ein Airbag nach einem Auffahrunfall. Wenigstens kann ich wieder ganz normal weiteratmen.
00:00 Uhr: Zu meinem fünften Date gehe ich erst gar nicht hin. Habe genug für heute. Vor allem von Frauen, die sich
offenbar in Welten bewegen, von denen ich nicht einmal etwas ahne. Stattdessen fahre ich nach Hause und lege mich ins Bett. Zappe zwischen den Sexy Sport Clips , einem drittklassigen Horrorfilm auf Tele 5 (Angriff der Horrorheuschrecken ) und einer Doku auf N24 über die Wirtschaftskrise ( Angriff der Horrorheuschrecken ) hin und her.
Katja fand mein Rumgezappe übrigens immer total daneben. Sogar wenn ich nur während der Werbepause umgeschaltet habe. Sie sagte dann: »Lass doch einfach laufen. Der Film geht doch gleich weiter.«
»Aber bis es so weit ist, kann ich doch einen anderen Film gucken.«
»Aber dann weißt du doch gar nicht mehr, was gerade los war.«
»Wenn ich jetzt fünf Minuten lang Spots von Pizza Ristorante, Vanish Fleckenlöser und Brise One Touch gucke, weiß ich das doch auch nicht.«
»Dann geh halt raus in der Zeit.«
»In Ordnung.«
Ich ging ins Schlafzimmer, schaltete dort unseren zweiten Fernseher ein und zappte rum, bis sie mich aus dem Wohnzimmer rief, weil unser Film weiterging. Als ich mich wieder neben sie setzte, sagte sie: »Ich glaube, ihr Männer leidet alle unter ADS. Statt rumzuzappen, solltet ihr Ritalin nehmen.«
Wir sahen uns an und unsere Neckerei zerschmolz in einer Welle der Zuneigung. Mit meiner Honigbärenstimme sagte ich: »Bei dir werde ich nie zappen. Bist mein Lieblingsprogramm.«
Sie gab mir einen Kuss. Ich gab ihr einen Kuss. Und während der nächsten Werbeunterbrechung schaltete ich nicht
herum und ging auch nicht rüber ins andere Zimmer, sondern schlief mit Katja. Nur’nen Quickie, weil ich ja wissen wollte, wie der Film weiterging.
Oh Mann, wie ich das vermisse! Aber zum Glück ja nicht mehr für lange. Nicht mal mehr zwei Wochen. Dann ist sie wieder hier. Und wir können uns wieder zusammen die Werbepausen vertreiben.
18. Tag: Dienstag
11:23 Uhr: Sitze im Büro und denke darüber nach, ob es an mir oder am Internet liegt. Diese ganzen Fehlschläge gestern. Dabei kenne ich jede Menge Typen, die online ihr Glück gefunden haben. Tobi, ein alter Freund, zum Beispiel. Er ist ein gut aussehender Typ, der auch schon auf analogem Weg kein Problem hatte, ein Date zu kriegen. Dennoch versuchte er sein Glück im Netz und mailte einige Monate mit einer Frau, die ihn total begeisterte. Als die beiden
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