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Herrengedeck

Herrengedeck

Titel: Herrengedeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Tamm
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habe.
    »Ist das ein Rüde?«

    »Warum halten Sie ihn denn nicht zurück?«
    »Gott, ist der niedlich. Aber in der Schule war der noch nicht, oder?«
    »Ist er geimpft? Ist er es? Zeigen Sie mir mal den Impfpass!«
    Hilfe! Ich bin ein Hundehalter, holt mich hier raus!
    Während sich die Hunde in einer seltsamen Mischung aus Kampf und Sex immer weiter ineinander verknäulen, versuche ich, Adam aus dem Wust herauszuziehen. Ich fange an, ihn anzuschreien, bis hinter mir eine Frauenstimme etwas bissig sagt: »Wirklich toll, wie Sie mit dem Hund umgehen!«
    »Ja, ich weiß. Tiere liegen mir einfach.« Ich drehe mich um. Vor mir steht eine ansehnliche Mittdreißigerin in Joggingklamotten. Sie ist hübsch und sie ist schlank, was beides nicht für das Tier gilt, das neben ihr steht. Es sieht aus wie eine Kreuzung aus Pampahase und Hängebauchschwein, und es hat einen Blick wie ein Oberstudienrat.
    »Wenn Sie Ihren Hund wirklich mögen, weiß ich nicht, warum Sie ihn gerade strangulieren«, erklärt die Joggerin lächelnd. »Sie haben nämlich keinen Bernhardiner, der fünfzig Kilo wiegt, sondern eine junge Bulldogge, die ungefähr so viel auf die Waage bringt wie ein Marmorkuchen.«
    »Ja, allerdings ein Marmorkuchen mit dem Geschlechtstrieb von Heinrich dem Achten.«
    Während wir plaudern, ist Adam dazu übergegangen, das Pampaschwein zu besteigen. Die Joggerin lächelt entspannt und sagt dann nur knapp: »Leo, aus!«
    Der Hunde-Studienrat wackelt einmal mit dem Arsch, woraufhin Adam in hohem Bogen davonfliegt. Er jault auf und leckt sich dann beleidigt da, wo sich jeder menschliche Rüde auch gerne lecken können würde.

    Ich zucke mit den Schultern und sage: »Es ist mein erster Tag mit dem Hund. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht die geringste Ahnung, was ich mit ihm tun soll.«
    »Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen ein paar Tipps.«
    »Großartig! Können wir direkt damit anfangen? Vielleicht gehen wir spazieren und Sie geben mir Nachhilfe in Sachen artgerechter Haltung.« Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich Andy diskret zurückzieht.
    Die Joggerin sieht mich prüfend an, lächelt und sagt: »Von mir aus gerne. Aber ich muss erst einmal Leo fragen.«
    Daraufhin beugt sie sich zu ihrem fehlgeschlagenen Genexperiment hinunter und sagt mit Babystimme: »Na, was meinst du, mein Süßer? Wollen wir ein Stück mit dem Onkel gehen? Oder wollen wir weiterjoggen?«
    Das Pampaschwein legt den Kopf zur Seite. Seine Besitzerin sieht zu mir hoch und erklärt: »Leo überlegt noch. Er ist wählerisch, mit was für Menschen er sich einlässt.«
    »Oh, das ist völlig in Ordnung.«
    Dann nickt sie und erklärt strahlend: »Er ist einverstanden.«
     
    19:45 Uhr: Ich finde, dass prinzipiell nichts dagegen spricht, sich in eine Frau zu verlieben, die in einer festen Beziehung steckt. Das Leben wäre ja auch viel zu einfach, wenn die Hormone immer nur bei Singles ins Schwingen geraten würden. Seit heute weiß ich allerdings, dass es eine Ausnahme gibt: eine Frau, die mit ihrem Hund liiert ist.
    Ich gehe mit Daniela und Leo spazieren und finde nach und nach heraus, dass die beiden ein Paar sind. Jedenfalls so etwas Ähnliches. Während wir uns angeregt unterhalten, sagt
sie nämlich kaum einen Satz, der nicht mit Wenn Leo einverstanden ist oder Leo ist da ganz anderer Meinung anfängt. Und dabei sprechen wir nicht über Dinge wie Gassi gehen oder Hundeschule, sondern über Karriere kontra Kinder, Straßenbahn oder Auto, Fernreisen oder Heimaturlaub. »Leo war einmal mit mir in Thailand, aber es hat ihm nicht gefallen. Es war zu warm. Und das Essen war ihm zu scharf. Außerdem durfte er nicht in den Hotelpool«, erklärt Daniela voller Empörung.
    »Ist ja unverschämt.«
    »Ich habe mich bei TUI beschwert, aber sie haben nicht darauf reagiert. Seitdem fahren wir lieber nach Husum.«
    Ich wiege nachdenklich den Kopf und sage dann vorsichtig: »Leo scheint ja sehr wichtig für dich zu sein.«
    »Wichtig? Er ist mein Ein und Alles.«
    »Wie lange seid ihr denn schon zusammen?«
    »Fast acht Jahre. Und es ist die schönste Zeit meines Lebens.«
    »Toll. Ich hatte auch mal eine achtjährige Beziehung.«
    »Du findest es komisch, oder?«
    »Nein, gar nicht.«
    Daniela sieht mir in die Augen und offenbar erkennt sie die Frage, die sehr intensiv darin leuchtet. Sie lacht und sagt: »Sex wird völlig überbewertet. Außerdem habe ich eine Siebzig-Stunden-Woche und gar keine Zeit dazu. Darum muss ich jetzt auch los. Ich fand es übrigens sehr

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