Herrengedeck
zu können.«
»Woher weißt du das eigentlich, Alter? Du bist doch noch nie Marathon gelaufen.«
»Klar bin ich. Hab allerdings bei Kilometer drei aufgegeben, weil mein Schnürsenkel aufgegangen ist.«
»Egal. Wollte dir eigentlich auch nur noch einmal sagen, worauf du heute Abend bei Birgit achten musst. Also hör gut zu …«
Ich unterbreche Andy, noch bevor er mit seinem spontanen Flirtseminar loslegen kann. »Spar dir die Mühe. Ich weiß auch so, was ich zu tun habe: rein in die Wohnung, rein ins Flirten, rein in ihr Bett.«
»Bingo, Alter.«
18:25 Uhr: Stehe seit einer Stunde singend unter der Dusche. Katja hat nicht nur exzessiven Wasserverbrauch, sondern auch mein Trällern gehasst. Sie ist ins Bad gekommen und hat mit einem Ätz-Tonfall, als wäre sie Dieter Bohlen in der DSDS-Jury, gesagt: »Stefan, mit so einer Stimme kann man ja den Kalk aus den Wänden schütteln. Ich war mir nicht sicher, ob ich einen Tinnitus habe oder ob du singst.«
Katja konnte ganz schön austeilen, das hat sie mir oft genug bewiesen. Aber dafür mochte ich sie schließlich. Und sogar auf ihre Sticheleien freue ich mich, genau wie auf alles andere. Zum Beispiel sie wieder im Arm zu halten, mit ihr auf dem Sofa abzuhängen, im Bett zu liegen, meinetwegen sogar einkaufen zu gehen, ihre Eltern zu besuchen oder bei ihrer Freundin Nadja zu sitzen und mir stundenlange Gespräche
über Mode, Showstars und Krankheiten von Freundinnen anzuhören.
Darum, nur darum, gebe ich mir besonders viel Mühe, als ich mich für den Abend style. Denn nur für Katja gehe ich zu Birgit und kriege sie rum. Fange etwas mit ihr an. Und präsentiere sie dann stolz auf der Hochzeit von Simon und Simone.
19:30 Uhr: Drücke pünktlich auf die Minute Birgits Klingel. Sie öffnet und ich bin überwältigt. Sie hat ihre Haare hochgesteckt und dezentes Make-up aufgetragen, sie riecht verführerisch nach Chanel, und sie trägt ein Kleid, das praktischerweise gleich zwei Ausschnitte hat - einen großzügigen vorne und einen noch großzügigeren hinten. »Wow! Du siehst bezaubernd aus.«
Birgit lächelt mich an, gibt mir einen Wangenkuss und beugt sich dann zu Adam runter, den sie auf eine Art begrüßt, bei der ich glatt eifersüchtig werden könnte. »Kommt doch herein, ihr zwei. Es ist alles vorbereitet.«
Fünf Minuten später sitzen wir auf ihrem großen und geschmackvoll dekorierten Balkon, trinken eisgekühlten Weißwein und unterhalten uns angeregt über unseren Job, die Kollegen, Traumwohnungen, Horrorwohnungen und noch alles Mögliche andere. Birgit ist bezaubernd. Vor allem macht sie keineswegs den Eindruck, als wäre sie unerreichbar.
Ich lenke das Thema sachte auf private Dinge, und zum ersten Mal weicht sie mir nicht aus. Ich erzähle ihr von Katja und unserer Trennung. Sie gesteht mir daraufhin, dass sie auch vor nicht allzu langer Zeit eine Trennung hinter sich gebracht hätte, die sie immer noch verarbeiten müsse.
»Ja, ich weiß«, sage ich.
»Du weißt es?«, fragt sie erstaunt. »Woher?«
»Na ja, man hört halt so dies und das.«
»Und was hast du gehört?«
»Du warst mit Gabriel zusammen, stimmt’s? Klar, kann ich verstehen. Er ist ja auch ein toller Typ. Eigentlich. Und wenn er nicht gerade mein Chef wäre. Aber egal, das geht mich ja nichts an. Fest steht, dass ihr mich mit eurem Versteckspiel nicht an der Nase herumführen konntet. Ich wusste natürlich schon lange, was Sache ist.«
Bin natürlich gespannt, wie Birgit auf meine Eröffnung reagiert. Aber eigentlich reagiert sie gar nicht darauf. Sie sitzt einfach nur vor mir und sieht mich wortlos an.
Unentwegt. Noch immer. Sieht mich einfach nur an.
Vermutlich würde der Abend so zu Ende gehen, wenn ich nicht irgendwann die Hände heben und sagen würde: »Was ist los, Birgit? Hätte ich das nicht sagen dürfen?«
»Ach, Stefan«, sagt sie mit einem seltsamen Lächeln. »Du bist wirklich ein noch viel größerer Schluffi, als man auf den ersten Blick meinen könnte.«
Ups! Nicht gerade das, was man hören will, wenn der Abend eigentlich zwischen den Laken ihres Bettes enden soll. Dann habe ich eine Idee, was ich falsch gemacht haben könnte und sage: »Mach dir keine Sorgen, Birgit. Von mir erfährt keiner in der Firma etwas.«
»Stefan! Wie lange kennen wir uns schon?«
»Keine Ahnung. Vier Jahre?«
»Lange genug jedenfalls, dass du wissen solltest, dass ich einen Typen wie Gabriel nicht mal anfassen würde, wenn er mir danach seine Villa mit Rheinblick
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