Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
Hauptverhandlung kommt«, erklärte der René zuversichtlich. »So wie ich die Staatsanwältin heute vorgeführt habe …«
Darauf die Nadin: »Also, ich würde schon gern wissen, wer die Kminikowski wirklich umgebracht hat.«
»Ist doch sonnenklar: Der Landrat natürlich«, posaunte der René heraus. »Der wollte seine Alte loswerden und mir hinterher die Sauerei in die Schuhe schieben! Aber da hat er sich geschnitten!«
Der Fickel meinte daraufhin etwas vorlaut, dass das wohl nicht angehe, weil der Landrat schließlich ein wasserdichtes Alibi habe. Jetzt wollte der René natürlich mehr wissen, da musste die Nadin mal ganz schnell »für kleine Mädchen«. Als der Referendar daraufhin anfing, den Fickel deshalb zu löchern, hatte der ganz plötzlich einen »unaufschiebbaren Termin«. Er verabschiedete sich eilig von seinem Mandanten, wünschte ihm für die bevorstehende Referendarsstation in Jena »Alles Gute« – und weg war er.
Der Fickel hatte nämlich Besseres zu tun, als sich mit dem Beziehungstohuwabohu der jungen Leute auseinanderzusetzen. Erlöst von den zeitraubenden Pflichten seines Mandats, konnte er nun endlich sein Versprechen einlösen und seiner alten Freundin und Weggefährtin, der scheidenden Amtsgerichtsdirektorin Driesel, beim Kultivieren ihres Weinberges unter die Arme greifen. Doch als er seinen beigebraunen Wartburg vor dem Garten am Weingartental parkte, traute er seinen Augen kaum. Denn was er neulich in der Dunkelheit gar nicht bemerkt hatte: die romantische Schmetterlingswiese mit den wilden Rosensträuchern und den knotigen Obstbäumen – planiert und plattgemacht! Dafür steckten jetzt überall kleine Stickel in der Erde, an denen sich die Miniaturreben im Überlebenskampf festklammerten. Mediterrane Weinkultur – und das ausgerechnet hier in Meiningen, wo Bier als Grundnahrungsmittel gilt!
Die Driesel hatte denn auch tiefe Sorgenfalten auf der Stirn. Schließlich waren die Temperaturen in den letzten Nächten noch mal ziemlich in den Keller gerutscht; einigen der kostbaren Reben war das Umsetzen in den schweren mitteldeutschen Boden augenscheinlich nicht so gut bekommen. Und das, obwohl die Driesel mindestens ein Dutzend Bücher über Weinbergkultivierung gelesen hatte! Der Fickel als jahrelanger erfolgreicher Kakteenzüchter konnte ihre Nervosität natürlich irgendwo nachvollziehen, zumal sie mit der Bepflanzung ein erhebliches finanzielles Risiko eingegangen war. Aber die wahre Idealistin fragt nicht nach dem Nutzen, sondern handelt getreu dem Luther’schen Motto: »Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch eine Weinrebe pflanzen.«
Da die Driesel noch nicht einmal über eine Bewässerungsanlage verfügte und der Amthor heute mal wieder aus Höflichkeit bei seiner Mutter zu Mittag essen musste, schleppte der Fickel hektoliterweise Wasser zu den Reben. Natürlich hatte er keine geeigneten Schuhe dabei, aber freundlicherweise borgte ihm die Driesel ihre Gummistiefel, sodass der Fickel seine Slipper nicht schmutzig machen musste.
Am Nachmittag zogen dann veritable Regenwolken über dem Herrenberg hoch, und die Driesel kredenzte auf der Terrasse ihres Blockhauses Filterkaffee und Spuckkuchen. Wobei man gar nicht erst fragen musste, welchem Umstand der Kuchen seinen Namen verdankte, denn der Fickel hätte sich um ein Haar an einem Kirschstein einen Schneidezahn ausgebissen. Die Driesel hatte natürlich schon die Neuigkeit vernommen, dass der René Schmidtkonz aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, und spendierte zur Feier des Tages einen Cognac, der so weich war, dass er gewissermaßen auf der Zunge zu verdampfen schien.
Im Nachhinein wollte sich die Driesel selbst beglückwünschen, dass sie ausgerechnet den Fickel als Pflichtverteidiger in dem Fall eingesetzt hatte. Und dass sich dieses Kampfweib von Oberstaatsanwältin bei der ganzen Affäre bis auf die Knochen blamiert hatte, war natürlich ein angenehmer Nebeneffekt, gewissermaßen eine Art Abschiedsgeschenk. An diesem Punkt wurde der Fickel direkt sentimental. Letztlich konnte und wollte er sich das Amtsgericht ohne die Driesel noch gar nicht recht vorstellen. Denn schließlich hatte sie vor allen anderen Kollegen ausgezeichnet, dass sie sich in dem aufzehrenden Tagesgeschäft stets eine menschliche Komponente bewahrt hatte. Eine Direktorin, mit der man sich im »Meeninger Platt« unterhalten und jederzeit Klöße essen gehen konnte – so was gab es nicht noch mal! In zwei
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