Herrgottschrofen
mittlerweile halb so alten Damen abzuschleppen. Ab und zu gelang ihm das sogar, doch hätte jemand darüber Buch geführt, wäre deutlich geworden, dass dies, wenn überhaupt, nur noch zwischen Silvester und Dreikönig passierte, wenn die naturbrandigen Hol- und Rheinländerinnen, die in Ischgl kein Zimmer mehr bekommen hatten, Garmisch-Partenkirchen unsicher machten.
Was Gruber nicht wusste, war, dass durchaus jemand eine Statistik erstellte über seine Eskapaden: seine Frau Elfie, die die Stunden bis zur Eröffnung des Scheidungsverfahrens zählte.
Geschäftlich lief es noch schlechter als geschlechtlich. Grubers ererbter Wald war ein Minusgeschäft, seine in B-Lagen überteuert angeschafften Gewerbeimmobilien zeichneten sich immer öfter durch Leerstände aus, und was seine Gastronomiebetriebe erwirtschafteten, betrogen ihm die Saisonangestellten unterm Hintern weg. Er dachte sich immer wieder neue Megakonzepte aus, bei denen er sich regelmäßig im Größenwahn verrannte. Doch mehr als ein Kletterwald war dabei noch nicht herausgekommen.
Dass die beiden Geschäftsleute zusammen auf die Jagd nach Rotwild und offenbar auch nach zweibeinigen Rehlein gingen, wunderte Hartinger nicht. Schon eher, dass der Baron von Storck angeblich auch mit von der Partie war. Das konnte man sich eigentlich nicht vorstellen. Der angesehene Bankier, einer alten Familie entstammend, lebte komplett zurückgezogen. In der Klatschpresse tauchte er nicht auf. Nur ab und an, wenn er eine königstreue bayerische Splitterpartei mit einer meldepflichtigen Spende bedachte, erschien er in einem Einspalter auf den Politik- und Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen unter der Rubrik »Unsere lustigen Milliardäre«.
Es war bekannt, dass er ganze Hochtäler mit herzerweichend schönen Seen in den Ammergauer Bergen sein Eigen nannte. Nur das in der Bayerischen Verfassung festgehaltene Jedermannsrecht zur Naturbetretung hielt ihn davon ab, diese Besitztümer für die Öffentlichkeit komplett sperren zu lassen. Wie sein entfernter und längst verblichener Verwandter, der berühmte König, hielt er sich wohl am liebsten in seiner eigenen Bergwelt auf.
Und da sollten die krachledernen Krawallbrüder Brechtl und Gruber ein- und ausgehen? Hartinger musste darüber unbedingt mehr erfahren. Auch wenn das mit alten Knochen nichts zu tun hatte. Aber wer konnte sagen, welche Story sich dahinter verbarg? Warf er Tomboy Suldingers Andeutung und Svetlanas Talente in einen Topf und rührte mit dem großen Spekulationslöffel um, kam er zu dem Ergebnis, dass es in den Jagdhütten deftig zuging. Hartinger musste sich unbedingt an diese Zeugin heranmachen.
Mit diesem Gedanken – sowie einigen weiteren, die sich vorwiegend mit Svetlanas hervorstechendsten Merkmalen und den hoffentlich bald anstehenden Probeaufnahmen beschäftigten – erreichte Hartinger das ehemalige Garmischer Brauereigelände, auf dem nun die Tigerbrauerei aus München volle und leere Flaschen lagerte. Dort stand auch die Bayern-Halle, in der größere Trachtenevents stattfanden. Links der Halle führte ein Weg nach oben zum Kramerplateau.
Hartinger kettete sein Fahrrad an ein Verkehrsschild und war ein kleines bisschen stolz auf sich. Er war tatsächlich am Bräustüberl vorbeigefahren, ohne einen Zwischenstopp einzulegen. Vor einem Jahr, als er mit dem Laufen angefangen hatte, hätte er sich dort noch eine Halbe zum Auflockern der Muskeln genehmigt. Drei Halbe später hätte er dann den Lauf auf den nächsten Tag verschoben. Das war jetzt alles kein Thema mehr. Hartinger hatte in den vergangenen zwölf Monaten ein großes Stück Wegs hinter sich gebracht.
Er dehnte seine Waden und joggte den steilen Anstieg locker hinauf. Fünf Minuten später hatte er die Höhe erreicht, auf der sich der Kramerplateauweg über die Westseite des Tales erstreckte. Er liebte diesen Weg. Für Mountainbiker war er gesperrt, und die meisten Einheimischen hielten sich sogar daran. Er war breit genug, um an den langsamen Pensionären vorbeijoggen zu können, ohne diese dadurch zu erschrecken. Nur ab und zu galt es, einen Zwillingskinderwagen durch einen Schritt ins Gras zu umspringen.
Hartinger dachte weiter nach. Der Anblick der Knochen in Suldingers Baggerlöchern ließ ihn nicht los. Dass die ausgerechnet bei der Vorbereitung des umstrittenen Tunnels aufgetaucht waren, war schon ein spaßiger Zufall. Wollte vielleicht einer, dass das Gebiet für weitere Arbeiten gesperrt würde?
Sicher, es gab unzählige
Weitere Kostenlose Bücher