Herrgottschrofen
beiden Männer in einem Roman beschreiben, würden wohl auch gut meinende Kritiker das Prädikat »Holzschnitt« vergeben. Und das zu Recht. Aber die zwei waren halt genau so, wie man sich einen reichen oberbayerischen Bau-, Fuhr- und Entsorgungsunternehmer und seinen besten Spezl, einen Großgrundbesitzer und Tourismusunternehmer mit gschpinnerten Ideen, landläufig vorstellte.
Der Brechtl hatte ein Vermögen mit dem gemacht, was andere Leute wegwarfen. Und mit dem, was sie ausschieden. Fäkalien hatte er mit seinen Pumpwagen aus den Versitzgruben der Garmisch-Partenkirchner geholt. Am Anfang mit einem gebrauchten Scheißelaster, den er sich vom zusammengeschnorrten Geld gekauft hatte, dann bald mit einer wachsenden Truppe von Mitarbeitern, die seine Flotte manövrierten.
Die runden Trommeln seiner übel riechenden Trucks zierte nicht wie andernorts ein verschämtes Logo, sondern sein eigenes Konterfei in Überlebensgröße. In einer Sprechblase war sein selbst gedichteter Slogan zu lesen: »Ob kalt, ob heiß – ich kümmer mich um jeden Scheiß!« Auf diese Weise ganzjährige und persönliche Einsatzbereitschaft signalisierend, war Noboby Brechtl schnell zur lokalen Berühmtheit aufgestiegen. Brechtl war einer, der zu seinen niederen Diensten stand. Und prächtig daran verdiente.
Als in den Siebzigern und Achtzigern der Siegeszug der Kanalisation auch den Südrand der Republik erreichte, verkaufte Brechtl seine Laster und schaffte sich einige Raupen und Bagger an, die ihm schließlich zu seinem ortsbekannten Spitznamen verhalfen. Mit diesen Geräten verlegte er die Rohre, die ihm sein angestammtes Saug- und Pumpgeschäft ruiniert hatten. Die ausufernde Bautätigkeit im Talkessel vergrößerte mit jedem neuen Haus und jedem Meter Kanal sein Vermögen.
Bald stieg er auch in das Abrisswesen ein. Und in den Hochbau. Und da er immer als Erster wusste, wo eines der schönen alten Häuser Garmisch-Partenkirchens abgerissen werden sollte, damit darauf eine neue Anlage mit Eigentumswohnungen hochgezogen werden konnte, war es zudem ein Leichtes für ihn, in den Immobilienmarkt einzusteigen, wo ja frühzeitige Information die eigentliche Ware war. Anders als die übrigen Haie dieses Gewerbes musste er sich dazu nicht in den Gemeinderat wählen lassen und Mitglied im Bauausschuss werden. Endlose Nachtsitzungen im Rathaus blieben ihm erspart. Eine Tatsache, die ihm sehr bei der Ausübung seines Hobbys zugutekam: Der Brechtl Toni war seit frühester Jugend fanatischer Jäger und saß lieber in der Abend- und Morgendämmerung auf einem Hochstand als auf einem Sitzungsstuhl.
Schließlich entstand in den Achtzigern ein richtiger kleiner Konzern, als der Wohlstandsmüll zum Rohstoff erklärt wurde und die Deutschen ihre alte Liebe zur Separation des Wertvollen vom Unwerten im Abfalltrennwesen endlich wieder ausleben konnten. Brechtl baute in Absprache mit der Gemeinde eine Vorzeigemülltrennstation in einem ehemaligen Naturschutzgebiet. Einige gewonnene Plastik-, Papp- und Papierkriege gegen die von außen in den Talkessel drängende Konkurrenz später war Brechtl der unangefochtene Müllkönig des Landkreises. Da für viele Müllsorten bei der Annahme wie bei der Weitergabe vollkommen legal Geld an ihn floss, fand er dieses Business schöner als Gelddrucken.
Er war gern gesehener Gast an allen Stammtischen in beiden Ortsteilen und spendete großzügig sämtlichen wohl- und untätigen Organisationen, von Sportvereinen bis zur Feuerwehr. Bei der Pflege der politischen Landschaft war er auf wohltuende Weise farbenblind. Er kannte eh nur zwei politische Richtungen. Die eine war gegen, die andere für ihn. Und die eine unterstützte er über die Grenze des Nichtmeldepflichtigen hinaus.
Kurzum: Ohne den Bagger-Toni lief nichts am Ort. Toni Brechtl führte das selbstbewusste Leben eines Selfmade-Millionärs amerikanischen Zuschnitts. Jeder sollte wissen, dass es ihm gut ging. Dafür hatte er sein Leben lang viel Scheißdreck bewegt, wie er nicht müde wurde zu betonen.
Ganz anders Veit Gruber. Dessen Vermögen war ererbt. Und es schien ihm zwischen den Fingern zu zerrinnen. Natürlich ließ er nach wie vor im Ort den großen Max raushängen. Doch längst hatte er von italienischen auf bescheidenere bayerische Autofabrikate umgestellt – dem Rücken wegen, wie er immer wieder sagte –, aber ein M oder ein S musste schon vor der Typenbezeichnung stehen.
Er schmiss Runde um Runde im John’s Club und versuchte dort, die
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