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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Verstehst? Quasi Güterabwägung.«
    Bernbacher glotzte aus seinem Bürofenster hinaus auf die mit morgendlichem Pendlerverkehr angefüllte B2. Könnte er doch nur in seinen silbernen Passat steigen und nach rechts auf die Autobahn fahren. Und von dort aus immer weiter, vielleicht hinter München auf die A9 Richtung Berlin und irgendwo vor der Hauptstadt rechts und an ihr vorbei ins märkische Niemandsland. Untertauchen, wo ihn keiner kannte. Einfach weit, weit weg von Garmisch-Partenkirchen das Wochenende und vielleicht auch noch die kommende Woche verbringen.
    »Welche Güter, Hansi? Bitte konkret. Du weißt: ich mittlere Reife, du Jurastudium.« Das Adjektiv »abgebrochenes« hatte Bernbacher wohlweislich verschluckt.
    »Mei, Ludwig, das ist doch wirklich keine Quantenmechanik! Wenn der Befund irgendwie schlecht ist für uns, das heißt, wenn der Befund ergibt, dass wer etwas mit dem Skelett gemacht hat, was den Ministerpräsidenten abhalten könnte zu kommen … Also als das Skelett, du verstehst, noch ein Mensch war, und wenn man diesen Menschen brutal … Also was weiß ich, was da passiert ist. Dann sieht man das ja, und dann kommt der Ministerpräsident vielleicht nie nicht. Wenn aber die Untersuchung bis morgen Mittag ohne Ergebnis bleiben sollte, kommt er ganz sicher nicht, zumindest nicht am Mittwoch.«
    Ludwig Bernbacher hatte aus dem Gestoibere des Bürgermeisters endlich die richtigen Schlüsse gezogen. »Verstehe, Hansi. Wir wollen am Freitagmittag ein Ergebnis, das besagt, dass die Knochen da schon seit ewigen Zeiten liegen und auch ohne irgendeinen verbrecherischen Hintergrund.«
    »Ganz genau. Perfekt. Ein Mann wie du, der die kompliziertesten Sachverhalte in das präzise Amtsdeutsch eines Polizeiprotokolls zu gießen gelernt hat, kann so etwas mit einem einzigen klaren Satz ausdrücken!«, schleimte der Bürgermeister.
    »Ich weiß halt immer noch nicht, wie ich’s anstellen soll, Hansi, aber …«
    »Mach dir nicht zu viele Sorgen, die werden schon nix finden. Und das bitte bis Freitag. Bitte umgehende Information, wenn irgendwas aus München kommt.«
    »Eh klar, Hansi«, sagte Bernbacher in die bereits tote Leitung. Der Bürgermeister hatte nach seinem Befehl einfach aufgelegt.
    Bernbacher war sich sicher, dass Meier seine Verbindungen über die Partei ins Innenministerium und von dort zum Landeskriminalamt spielen lassen würde, um die Untersuchung zumindest zu beschleunigen. Dass er an deren Ergebnis drehen konnte, traute er ihm nicht zu. Aber seine Kontakte in München würden dem Bürgermeister auch berichten können, ob sich Bernbacher dort wie versprochen gemeldet hatte. Also musste er wohl oder übel in der Gerichtsmedizin anrufen.
    Er hoffte, dass es in dieser Woche genug ungeklärte Todesfälle in der großen Stadt und im Freistaat gegeben hatte, sodass die »Garmischer Baggerleiche«, wie die Boulevardpresse das Skelett einfühlsam getauft hatte, erst am Montag auf den Edelstahltischen in der Nußbaumstraße landete.
    Hartinger konnte am besten während des Laufens denken. Nachdem die lange Tour, seine große Ortsrunde, vor zwei Tagen durch den Knochenfund unterbrochen worden war, war es am frühen Donnerstagabend wieder an der Zeit, in die schnellen Schuhe zu steigen. Nebenbei könnte er hinten beim Herrgottschrofen nach dem Rechten sehen. Wenn er es so weit schaffte.
    Er entschied, bis zur Bayern-Halle mit dem Fahrrad zu fahren. Dann konnte er den Kramerplateauweg entlangrennen und würde auf diesem, auch wieder laufend, zurückkommen. Er hätte natürlich auch eine seiner anderen Strecken nehmen können, doch der Knochenfund beschäftigte ihn einfach zu sehr. Er war von der Natur mit vielem ausgestattet worden, mit knapp zwei Metern Körpergröße, zwei Zentnern Körpergewicht und auch mit ein bisschen Hirn. Aber bei der Verteilung der Geduld hatte Karl-Heinz Hartinger nicht laut genug »hier« gebrüllt.
    Während er auf dem Bett seiner Dachkammer in der Dreitorspitzstraße saß, um die Schuhe zu schnüren, dachte er darüber nach, was ihm der Suldinger Thomas am Abend zuvor in der Eisstockhütte gesteckt hatte. Dass es der Bagger-Toni, der Brechtl, zusammen mit dem Gruber Veit in einer Jagdhütte des schwerreichen Baron von Storck ordentlich krachen ließ. Der Brechtl und der Gruber – eine Combo wie geschaffen füreinander, dachte Hartinger, als er die Treppen in dem kleinen Haus der Witwe Schnitzenbaumer hinabstieg und sich sein Radl hinter dem Anbau holte. Würde man die

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