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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Gegner des Tunnelbaus. Die einen, Naturschützer selbstredend, wollten gar keinen Tunnel, die anderen wollten andere Trassen. Das war immer so bei derlei Projekten. Hartinger wusste, dass das Thema »Tunnelumfahrungen des Talkessels« schon im Ort gebrodelt hatte, als er diesen vor über zwanzig Jahren in Nacht und Nebel hatte verlassen müssen. Und in all der Zeit hatte sich nichts getan.
    Die Farchanter, im Dorf vor der Olympiagemeinde beheimatet, hatten so lange die Straße blockiert, bis sie einen Tunnel bekommen hatten. Die Oberammergauer hatten schon seit langer Zeit eine breite Umgehungsstraße. Ein Amigo aus ihren Reihen hatte vor bald zwanzig Jahren den Ministerpräsidenten beerbt und setzte prompt die Entlastungsstraße für seine Heimatgemeide durch. Nur die Garmischer und Partenkirchner hatten sich so lange darüber gestritten, ob sie nun einen, zwei oder gar keinen Tunnel brauchten, bis aufgrund der Ebbe in den Kassen eine Finanzierung solcher Mammutbauten nur noch bei erhöhtem öffentlichem Interesse sichergestellt war.
    Ein solches wäre die Vergabe der Olympischen Spiele nach München und Garmisch-Partenkirchen. Und daher wurden nun, wenige Monate vor dem alles entscheidenden Termin, Tatsachen geschaffen. Erprobungstunnel wurden in Berge getrieben. Damit jeder sehen konnte: Wir glauben fest an Olympia in Bayern. Auch wenn die Südkoreaner das zehnfache Budget haben und noch einmal eine halbe Milliarde drauflegen, wenn sie die Spiele bekommen. Dass diese Erkundungsmaßnahmen so etwas wie das Pfeifen im Wald waren, störte nicht. Wenigstens pfiff man mit schwerem Gerät.
    Hartinger erreichte den Herrgottschrofen eine gute halbe Stunde, nachdem er an der Bayern-Halle losgelaufen war, und traute seinen Augen nicht. War am Vortag schon fleißig weiterplaniert und gegraben worden, hatte man an diesem Tag den Kies auf weiten Flächen der ehemaligen Wiese ausgebracht. Offenbar hatte man keine Lust, auf weitere Gräber und vielleicht sogar auf eine archäologische Sensation zu stoßen. Auf einen alten Friedhof aus vorchristlicher Zeit etwa. So etwas konnte einen ganzen Bauabschnitt ruinieren.
    Nur die beiden Löcher, in denen Hartinger die Knochen gefunden hatte, waren mit Polizei-Absperrband gesichert. Aber auch diese Fundorte waren verwaist. Niemand grub darin weiter.
    Hartinger nahm sein Mobiltelefon aus der engen Tasche der Laufhose. Da er nie wusste, wann er als Lokalfotograf zu einem Einsatz gerufen wurde, hatte er es auch beim Joggen meistens dabei. Auch, weil er vor einem Jahr eine Leiche auf seinem Laufweg gefunden hatte und damals die umliegenden Häuser abklingeln musste, um an ein Telefon zu gelangen. Er wählte Kurt Weißhaupts Nummer, und der nahm den Anruf bereits nach dem zweiten Klingeln entgegen. »Nur, weil du es bist«, eröffnete er das Gespräch.
    »Hockst wieder im Hofgarten und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein?«, stichelte Hartinger.
    »Wenn der lieb und gut wäre, hätte er weder Telefone erfunden, noch dich damit ausgestattet. Was gibt’s? Ich krieg gleich mein Essen.«
    »Die Knochengeschichte. Hast sicher gelesen.«
    »Hmhm«, grumpfte Weißhaupt ins Telefon. Offenbar war das Hacksteak mit Bratkartoffeln auf seinem Tisch eingetroffen. Das Gericht wurde ihm in Schumann’s Bar ohne Bestellung vorgesetzt.
    »Die vertuschen da was. Ich bin gerade draußen. Alles weggeschoben und planiert.«
    »Hartinger, siehst schon wieder Gespenster?«
    »Na ja, die meisten materialisieren sich ja dann doch zu einer anständigen Story, wie du weißt.«
    Kurt Weißhaupt, der ehemalige Lokalchef der Süddeutschen, wusste.
    »Lustig, oder? Ich sitz im Schumann’s und bewege Erdäpfel in mich hinein, und du stehst dort draußen im Wald und schaust Erdbewegungen an.«
    »Hammer, dein Sprachwitz, Kurt. Damit musstest du ja stellvertretender Chefredakteur werden. Jetzt mal im Ernst, hast du irgendwas gehört, dass irgendjemandem bei euch da in München der Knochenfund irgendwie Sorgen bereitet? Ich mein, du könntest ja mal nachhorchen.«
    »Könnt ich.«
    »Machst auch?«
    »Morgen. Heute hab ich Feierabend.«
    »Ich besuch dich dann auch wieder, wenn du was Interessantes herausbekommst.«
    »Hab’s mir gerade anders überlegt.«
    »Witzig. Also dann, gehab dich wohl, Kurt Weißhaupt. Konzentrier dich auf die Bratkartoffeln und lass die Finger vom jungen Gemüse.«
    »Passt schon, Gonzo Hartinger. Auch toller Sprachwitz. Damit musstest du ja Reporter in der Provinz werden. Ich melde mich,

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