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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Jahreszeit entsprechend, hatte sich Svetlana zumindest einen Mini-Bolero aus flauschigen pinkfarbenen Federn über die Schultern gelegt. Aus dem Make-up leuchtete knalliger Lippenstift.
    Hartinger schluckte erneut. Zweimal. »Svet-lana …«, stammelte er.
    »Was hast du gedacht, Gonzo, eh? Hab ich dich schön geschreckt. Bin ich raus bei Hintereingang!« Sie lachte und schlug sich vor Vergnügen auf den rechten Oberschenkel. »Na los jetzt, wenn du mich schon nicht abholst, Feigling, hältst du wenigstens Dame Türe auf!«
    Hartinger sprang vom Sitz. »Mei, ich hab nicht gewusst, Svetlana, ob’s dir recht ist, wenn ich reinkomm«, entschuldigte er sich, während er ums Auto lief und seiner Begleitung den Wagenschlag aufriss, als wäre sie Joan Crawford und er ein Fahrer von Warner Brothers im Hollywood der Fünfzigerjahre.
    Svetlana trippelte hinter dem Volvo herum und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. »Schönes Auto«, log sie, als Hartinger wieder auf seinem Chauffeursplatz saß. Dabei strich sie mit der Hand über das staubige Kunststoff-Armaturenbrett vor ihr, als wäre es mit dem Leder einer vom Aussterben bedrohten Echsenart überzogen oder aus sündteurem Tropenholz gefertigt.
    »Besser schlecht gefahren als gut gegangen, Svetlana. Ist immerhin kein Wolga.«
    »Oh, ich nix gegen dieses Auto. Fuhren in meiner Jugend die Bonzen zu Hause in Belarus. Werde ich immer Ehrfurcht haben vor Volvo.«
    Hartinger konnte nicht sehen, ob Svetlana vor sich hin grinste oder ob sie es ehrlich meinte. Ihm waren Autos schon immer so was von wurscht gewesen. Den Volvo hatte er nur deshalb vor dem Schrottplatz gerettet, weil das Radeln im Garmisch-Partenkirchner Winter mit Fototasche und sich überschneidenden Terminen weder gesundheits-, noch karrierefördernd war.
    Nachdem er nun auch immer öfter für das Tagblatt Aufgaben in Mittenwald, Murnau und Oberammergau erledigen sollte, würde er den zwanzig Jahre alten Stufenheckler, den er an der Shell-Tankstelle für achthundert Euro erworben hatte, wohl auch im Sommer fahren. Er fand seinen 740er mittlerweile großartig. Besonders, nachdem er für neunhundert Euro die Heizung hatte reparieren lassen.
    »John’s Club?«, schlug Svetlana vor.
    »Echt?«, fragte Hartinger nach. Er wollte nicht sagen: Muss das sein? Die eigentlich passende Frage wäre gewesen: Wohin sonst? Der sich in Tourismuskatalogen mondän gebärdende Wintersportort Nummer eins hatte ein durchaus überschaubares Nachtleben.
    »Echt«, bestimmte Svetlana.
    Hartinger stöhnte ganz leise und zog den Hebel der Automatik auf D. Also John’s Club. Der Tanzschuppen neben Pizzeria, Spielsalon und Irish Pub am Rathausplatz hatte den wohlklingenden Namen aus besseren Zeiten herübergerettet. Mittlerweile verbarg sich eine traurige Weit-über-dreißigDisse dahinter, in der die Einschichtigen jeden Donnerstag und Freitag verzweifelt versuchten, doch noch einen Lebensabschnittspartner zu ergattern, den sie nicht schon seit der Schulzeit kannten. Hartinger hatte die guten Tage des Schuppens noch erlebt, als der Club für Garmisch-Partenkirchen so etwas wie das Schumann’s für München gewesen war.
    Aber ihn störte, dass dort die Zuträger des Bagger-Toni an der Bar und in den Nischen saßen. Denn der hatte den Laden gekauft, nur um ihn dem Gruber Veit wegzuschnappen. Spätestens am nächsten Morgen würde Brechtl wissen, mit wem und in welchem Aufzug die Svetlana dort die Nacht zuvor aufgeschlagen war.
    Sie rollten die Mittenwalder Straße zum Rathausplatz entlang. Hartinger hatte Mühe, sich auf den Straßenverlauf zu konzentrieren. Immer wieder glitt sein Blick nach rechts in Svetlanas Auslagen. Zum Glück dauerte die Fahrt nur wenige Minuten. Er parkte auf dem Karree vor der Kneipe und ging um sein Auto herum, um Svetlana die Tür aufzureißen. Solcherlei gentlemanlikes Gebaren war man in Partenkirchen nicht gewöhnt, und die Raucher, die vor den Etablissements standen, wunderten sich zunächst, wer sich denn da an diesem Abend die Ehre gab.
    Als die beiden aus dem Dunkel des Parkplatzes in das Licht traten, das die Amüsierbetriebe warfen, machte sich eine Mischung aus Enttäuschung und Überraschung auf den Gesichtern breit. Der Hartinger und die Svetlana – beide kannte nun wirklich jeder im Ort – waren, jeder für sich betrachtet, keine Überraschung. Nur dass beide in dieser Kombination auftraten, entlockte besonders den männlichen Nikotinsüchtigen teils neidvolle, teils hämische Kommentare und

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