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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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…?«
    »Wenn ich schon hier bin, dann deftig Bayerisch, ist doch wohl klar.«
    »Da würde ich das Bräustüberl empfehlen. Sag der Anni einen schönen Gruß von mir, dann werden die Portionen größer.«
    »Werd ich machen. Schönen Abend wünsche ich dir«, sagte sie fröhlich.
    »Schönen Abend! Und du bist nicht sauer, dass ich jetzt nicht mit dir …?«, wollte sich Hartinger versichern, aber sie hatte bereits aufgelegt.
    Er steckte das Handy zurück in die Tasche und stemmte den Kasten wieder auf die Schulter. Seine Gedanken waren bei Dotti, dieser wundersamen – und wundervollen – Frau aus der großen Stadt. Sie hatte mehr männliche Charakterzüge als Charles Bronson und war doch die weiblichste Frau, die er seit langer Zeit kennengelernt hatte. War es diese Mischung, die ihn so interessierte?
    Die Kathi, an der er ja – ganz ehrlich – immer noch hing, und zwar nicht nur über das Verbindungsstück des gemeinsamen Sohnes, war ja auch kein zartes Weiberl, die hatte unter ihrer Kittelschürze ganz deutlich die Hosen an.
    Während er so sinnierte und nachdem er den Kasten ein weiteres Mal auf die andere Schulter gewechselt hatte, kam er auf der Brücke an, die über die Loisach zum Herrgottschrofen führte, und zwar zu jener Stelle, wo vier Wochen zuvor alles angefangen hatte. Er fragte sich, ob überhaupt noch jemand von der Polizei in den beiden Fällen, in die er verwickelt gewesen war, ermittelte. Am nächsten Morgen würde er mal die Online-Seiten von Merkur, AZ und tz durchforsten. Und am Montag würde er diesem Kripokommissar Hanhardt seine Aufwartung machen, um ihm die Kippen von jenem Mann zu geben, der ihn am Nachmittag beobachtet hatte.
    Doch diesen Gedanken verwarf Hartinger gleich wieder. Was sollten die Kippen denn aussagen? Und überhaupt war es für ihn bislang noch nie sehr förderlich gewesen, wenn er der Polizei Leichen, Knochen oder Beweismittel präsentiert hatte.
    Aber gewusst hätte er schon sehr gern, wer da unter einer Fichte in Graseck sitzend seinen Samstag verbracht hatte.
    Als Dr. Dorothee Allgäuer um acht Uhr das Bräustüberl betrat, hatte sie einen Mordshunger. Und einen anständigen Durst. Sie freute sich auf den Abend unter den Einheimischen. Wer wusste, ob da nicht der eine oder andere schmucke Single oder verehelichte Abenteuerlustige an einem der rustikalen Tische saß, die sie sich in einem Bräustüberl vorstellte.
    Als sie die Tür zur Gaststube öffnete, sah sie ihre Vorstellung nicht enttäuscht. Weder was die Beschaffenheit der Tische anlangte, noch hinsichtlich der strammen jungen Burschen, die an den Tischen saßen. Denn an diesem Abend tagten gleich drei der nachwuchsstärkeren Stammtische, bei denen der Altersdurchschnitt durchaus dem der Kernzielgruppe der forschen Rechtsmedizinerin entsprach.
    Nicht ganz ihren Wünschen entsprach dagegen die verschworene Dreierrunde, die im Eck rechts zwischen Kachelofen und Küche tagte. An dem Tisch saß neben dem Mann mit dem breiten Kreuz und dem kurzen Janker und dem alten Herrn, der wie ein Adliger aussah, auch ihr Chef, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Friedrich Marchsteiner.
    Als Hartinger am nächsten Morgen aufwachte, wusste er, warum er seit über zwanzig Jahren nicht mehr auf einer Isomatte am Flussufer übernachtet hatte. Ihm brummte der Schädel (woran weder die Isomatte noch das Flussufer schuld waren), sein Rücken schmerzte, und die Füße waren Eiszapfen. Zudem musste er dringend. Er konnte es nicht länger im Schlafsack aushalten. Obwohl um ihn herum lauter Bierleichen schnarchten, als lägen sie in Himmelbetten, musste er aufstehen. Das war damals schon so gewesen. Er war immer der Erste gewesen, der sich den verwüsteten Zeltplatz hatte anschauen müssen, und hatte ihn aufgeräumt, bevor die anderen überhaupt nur ein Auge aufgemacht hatten.
    Er erleichterte sich in den Büschen und versuchte, die Füße durch Aufstampfen warm zu bekommen. Dann machte er ein Feuer aus den Überresten der Äste, die irgendeiner mitten in der Nacht zusammengetragen hatte. Allmählich wurde ihm wieder warm. Um den stechenden Schmerz auszuschalten, der wie eine Klaue mit scharfen Krallen seinen Kopf im Griff hatte, trank er ein halbes Augustiner. Dann kam der Hunger.
    Er kramte die zweite Dose »Feuerzauber Texas« aus seinem Rucksack und stellte sie geöffnet an den Rand des Feuers. Nach zehn Minuten warf die schleimige rotbraune Pampe, die ein Chili con Carne imitierte, Blasen und konnte als heiß betrachtet werden.

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