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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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nachdem sie der Vater Stiller rausgeworfen hatte. Steht alles im Tagebuch von Josepha.«
    »Und da wurde sie das letzte Mal lebend gesehen?«
    »Weiß ich nicht, aber kann sein«, sagte Albert Frey. »Im Tagebuch kommt sie jedenfalls nicht mehr vor. Auch sonst nichts mehr, denn die Josepha muss das Bücherl bei ihren Eltern gelassen haben, als sie mit dem Saunders nach Amerika ging. Und als die Eltern gestorben sind, hat ein Nachbar das alles ins Marktarchiv gebracht.«
    »Ein Nachbar?«, wunderte sich Kathi. »Nicht eine der Töchter?«
    »Sieht so aus, als sei keine von ihnen auf den jeweiligen Beerdigungen gewesen. Aber das ist nur eine Vermutung.«
    »Die Josepha scheint mit ihrer Heimat umfassend abgeschlossen zu haben«, sagte Hartinger. »Kann ich nachvollziehen.«
    »Na, dich haben wir bisher immer wieder zurückgekriegt«, meinte Kathi dazu. Sie stand auf und ging zum Herd. »So, genug geschwätzt, Unterlagen weg. Gonzo, deckst du bitte den Tisch. Der Bub hat bis zum späten Nachmittag Schule. Ich hab uns Pasta gemacht.«
    »Bolo?«, wollte Hartinger wissen.
    »Bolo. Muss nur schnell die Nudeln kochen.«
    »Dann geh ich raus und schleif die letzte Lamelle.« Damit verschwand Hartinger aus der Küche. Schon nach wenigen Sekunden kam er ans Küchenfester und fragte: »Hab ich den Schaber da drin gelassen?«
    »Du bist ohne Schaber reingekommen«, erinnerte sich Kathi.
    »Dann hat ihn mir einer da heraußen verzogen. Kreizkruzifix!«, schimpfte Hartinger.
    »Ah geh weiter, wer verzieht denn den alten Schaber vom Opa?«, kam es aus der Küche zurück. »Alter Schlamper!«
    Am frühen Samstagvormittag war nicht einmal die Hälfte der urigen Tische im Bräustüberl besetzt. Albert Frey nahm am Ecktisch neben dem Kachelofen Platz, von wo aus er den ganzen Raum überblicken konnte.
    »Bier?«, fragte die Kellnerin.
    »Weißbier, bitte«, antwortete Albert Frey.
    Punkt fünf vor elf, als Frey gerade die zweite Halbe orderte, betrat ein hochgewachsener älterer Herr die Gaststube. Er trug eine Kombination aus dunkelroter Breitcordhose, Budapester Schuhen, die im Rotton ganz knapp daneben lagen, einem zartblau karierten Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen und einer englischen Steppjacke, wie sie Adlige oder Leute, die für Adlige gehalten werden wollten, gern zeigten. Sein Halstuch zierte ein Paisleymuster, dessen tannengrüner Grundton durch keckes Rosa durchbrochen war. Hätte Frey Ahnung von klassischen Düften gehabt, hätte er das Eau Sauvage sofort erkannt, als Martin Bruckmayer vor seinem Tisch stehen blieb, um sich vorzustellen.
    Natürlich tat er das erst, nachdem er die Bedienung per Handschlag und die anderen Gäste mit einem jovialen Gruß mit dem nach außen gedrehten rechten Handrücken gewürdigt hatte. Immerhin hatte das jahrhundertealte Bräustüberl einmal seiner Familie gehört. Er hätte die Gäste enttäuscht, hätte er nicht den Bräu gemimt, der er persönlich in Garmisch nie gewesen war.
    »Danke, dass Sie sich so schnell mit einem Treffen einverstanden erklärt haben«, leitete Albert Frey das Gespräch ein, nachdem sich Bruckmayer gesetzt hatte.
    »Aber, Herr Frey, das ist doch selbstverständlich. Wenn ein so renommierter Geschichtsforscher wie Sie eine Anfrage stellt, dann ist es doch meine Pflicht, dass ich unverzüglich zur Verfügung stehe. Unsere Familie hat den Garmischern fast vierhundert Jahre das Bier gebraut. Ich hab mich sowieso schon gefragt, warum nie einer kommt und mich nach alten Unterlagen fragt.«
    »Die Geschichte des Garmischer Brauhauses ist sicher sehr spannend …«
    »Ja und wie«, unterbrach der rüstige Senior mit seiner Bassstimme. »Da können Sie Lastwagenladungen voll Dokumenten haben. Hab ich alles im Keller.«
    »Das muss ich mir unbedingt ansehen, Herr Bruckmayer. Aber was ich eigentlich derzeit erforsche, ist die Geschichte der Casa Carioca.«
    Martin Bruckmayer stutzte. »Hm. Ob ich da viel beitragen kann?«
    »Sie haben doch da mal gearbeitet nach dem Krieg?«
    »Wie sind Sie denn darauf gekommen? Gut recherchiert, Herr Frey, Respekt. Aber stimmt natürlich. Sie haben mich als Schankkellner genommen. Wohl, weil meine Eltern die Brauerei hatten und ich mich daher ein bisserl auskannte. Ich war sechzehn, siebzehn. Und später haben sie mich die ganze Bar schmeißen lassen. War eine große Zeit.«
    »Und Ihr Vater hat Sie nicht in der Brauerei gebraucht?«
    »Der war heilfroh, dass ich ein eigenes Auskommen hatte. Der Brauerei ging es nach dem Krieg gar

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