Herrgottschrofen
Paradise on Ice, das ist von ihr? Das Paradise on Ice?« Kathi konnte es gar nicht fassen.
»Richtig. Hat sie 1965 gegründet. Ist vierzig Jahre damit durch die USA und die Welt getingelt. Und nebenbei kam sie auf die Idee, auf Kreuzfahrtschiffen in der Karibik Eisrevuen aufzuführen. Die Frau ist eine Ikone. Auf YouTube findet ihr ein Video ihres Besuchs bei Jay Leno anlässlich des dreißigsten Geburtstags von Paradise on Ice.« Albert Frey hatte über Nacht einen umfassenden Job erledigt.
»Vierzig Jahre getingelt?«, murmelte Hartinger. »Bis 2005?«
»An ihrem fünfundsiebzigsten Geburtstag hat sie eine Abschlussvorstellung gegeben«, bestätigte Frey. »Im Madison Square Garden. Und dann die Truppe aufgelöst. Seit diesem Datum findet man kaum noch etwas über sie. Sie taucht dann nur noch in den Meldungen über den Tod ihres Mannes auf. Thomas Saunders ist vor einem Jahr gestorben. Mit gut neunzig Jahren. War ein hoch dekorierter General und lange auf den obersten Ebenen im Pentagon tätig. Nach seiner Pensionierung ’85 war er als Berater aller amerikanischen Präsidenten beschäftigt, egal, welcher Partei sie angehörten. Muss ein toller Mann gewesen sein.«
»Passend zur tollen Frau«, meinte Kathi.
Albert Frey sah sich seine beiden Gegenüber an. »Ein bissl mehr als manch anderes Paar haben die zwei schon aus sich gemacht.«
Die damit Gemeinten schwiegen.
Dann löste Hartinger die unangenehme Stille. »Und was ist jetzt mit unseren Knochen?«
»Franziska«, sagte Albert Frey.
»Die ältere Schwester.«
»Genau. Ist ’51 aus Garmisch-Partenkirchen verschwunden. Einer der letzten Einträge im Tagebuch. Da, bitte.«
Frey zog eine Kopie aus der Mappe:
28. April 1951
Training mit den neuen Leuten aus Ungarn. Sind technisch sehr gut. Springen Zweifache. Muß aufpassen, daß mir da keine zu groß wird.
Franziska ist heute wieder nicht zum Dienst aufgetaucht. Schon den zweiten Tag. Sie ist wohl richtig sauer auf uns alle. Ich weiß zwar nicht, warum sie sauer auf mich ist. Aber daß sie sauer auf den Vater ist, ist ja klar. So eine Szene. So ein Skandal. Er hätte sie totgeprügelt, wenn die MP s nicht dazwischengegangen wären. Gottlob! Sie wird sich sicher in den Zug nach München gesetzt haben und dort ihr Glück versuchen.
» Etwas Besseres als den Tod finden wir überall « , hat sie an den Spiegel in ihrem Zimmer in der Brauerei geschrieben, hat der Martin gesagt. Das wird ihr in der Stadt hoffentlich gelingen. Etwas Besseres als Bedienung bei den Amis findet sie sicher. Sie suchen jetzt überall fleißige Leute. Sie meldet sich bestimmt, sobald sie eine gute Stellung hat. Vielleicht auch einen Mann, der es gut mit ihr meint.
Ach, Franzi! Ich vermisse sie schon nach zwei Tagen. Martin läuft auch herum, als hätt ihm jemand seine geliebten Tennisschläger geklaut, die ihm der Ltn. Saunders geschenkt hat. Liebe Schwester, möge es Dir gut ergehen! Auf bald! Ich warte hier und drehe meine Kreise auf dem Eise …
»Vermisstenanzeige?«, fragte Hartinger.
»Wie gesagt, dazu müsste ich nach München ins Staatsarchiv.«
»Liest sich eher so, als sei die arme Franzi von hier weggelaufen«, warf Kathi ein.
»Stimmt. Aber muss ja nicht«, sagte Albert Frey. »Ist jetzt erst mal unser einziger Anhaltspunkt. Jemand, der in der Jugend viel Schlittschuh gelaufen ist – die Füße haben ihr davon wehgetan – und dann später verschwunden ist. Das trifft auf unsere Franziska beides zu. Im Melderegister der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen ist außer ihrer Geburt im April 1928 nichts vermerkt. Und im Stammbuch auch nicht. Sie ist weder umgezogen, noch hat sie geheiratet, noch ist sie verstorben. In Garmisch-Partenkirchen nicht, wohlgemerkt.«
»Die Welt ist größer als Garmisch-Partenkirchen«, bemerkte Kathi.
»Wenn das innerhalb des Talkessels auch nicht alle so sehen, aber du könntest recht damit haben«, schmunzelte Albert Frey.
»Wer ist dieser Martin eigentlich?«, hakte Hartinger nach.
»Martin Bruckmayer. Der Brauerei-Erbe. Jahrgang ’30. Nachdem das Garmischer Brauhaus seines Vaters Anfang der Siebziger an einen holländischen Konzern verkauft wurde, machte er dort als Manager Karriere. War in Brasilien, Südafrika, Korea und so weiter. Wohnt aber seit zehn Jahren wieder in Garmisch. Drüben auf der Maximilianshöhe hat er ein Anwesen.«
»Darum also hat Franziska etwas an den Brauereispiegel geschrieben.«
»Sie wohnte wohl in einem Dienstbotenzimmer über dem Bräustüberl,
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